Innenstadtverdichtung

Wohnflächenentwicklung in der Region: Innenstadtverdichtung statt Flächenversiegelung

Ausgangslage und Migration

Die Region Stuttgart ist ein Magnet für Menschen. Die gute Arbeitsmarktlage, die differenzierte Hochschullandschaft, ein vielseitiges Kultur- und Freizeitangebot, das sind Anreize, die Städte der Region als Lebensmittelpunkt zu wählen. Doch Migration erklärt sich nicht allein über harte oder weiche Standortfaktoren.

Die Region profitiert von einem Zustrom junger, gut ausgebildeter Fachkräfte aus strukturarmen Räumen in Südeuropa, die von der europäischen Austeritätspolitik nachhaltig geschwächt wurden.

Diese Wirtschaftsflüchtlinge machen einen Anteil von 89 % der Zugezogenen aus. Sie suchen hier ein besseres Leben und eine Existenz. Hinzu kommt, dass die Region ein sicherer Hafen für die von Krieg und wirtschaftlicher Not Betroffenen ist, die nicht mehr besitzen als das, was sie tragen können. Weder Grenzzäune noch Mauern halten diesem Elend stand.

Bereitstellung von Wohnraum

Die Diskussion um die Wohnflächenbereitstellung für diese Menschen im Jahr 2016 zeigt, dass die Region für die Herausforderung gewappnet ist. Dem Bevölkerungszuwachs von 130.000 Menschen bis 2030 steht Bauland für 141.000 Menschen gegenüber. Grundlagen unserer Raumordnung sind die  Orientierung auf die Entwicklungsachsen und die Ausweisung regionaler Wohnungsbauschwerpunkte, um dezentrale Wohnplätze mit umweltfreundlicher Mobilität auf der Schiene zu verknüpfen. Für bestehende Probleme können im Dialog mit den Gemeinden Lösungen gefunden werden.

Dabei kann auch das regionale Kompensationsflächenmanagement einen Beitrag leisten, für das der Planungsausschuss auf Antrag der LINKEN den Weg geebnet hat. Zukunftsweisend ist auch das von der Verbandsverwaltung konzipierte Anreizmodell, über die Ko-Finanzierungsmodelle den Gemeinden, die diese wichtige Aufgabe stemmen, entgegenzukommen.

Eines ist klar, die Urbanisierung des Verflechtungsraums muss voranschreiten - allerdings nicht durch Flächenwachstum. Ohne höhere Bruttowohndichten durch qualitätsvolle Bauleitplanung geht es nicht, auch um effiziente Siedlungsstrukturen für die Zukunft zu entwickeln, Infrastrukturkosten zu senken und die endliche Ressource Boden und das Klima zu schützen. Diese Notwendigkeit zur Innenentwicklung, Innenverdichtung und Flächenkonversion ist in den Rathäusern verstanden und verinnerlicht worden.

Gegen zerstörerische Bodenversiegelung

Es dauert 2.000 Jahre, bis durch Erosion, chemische und biologische Prozesse aus hartem Gestein eine nur 10-Zentimeter dicke Schicht fruchtbaren Bodens entstanden ist. Ohne diesen Boden gäbe es kein Leben. Er ernährt uns, ist Grundlage für den Artenreichtum, und trägt unsere Infrastruktur.

Boden ist eine sensible und leicht zerstörbare Ressource. Einmal verdichtet und versiegelt sind die Bodenfunktionen zerstört. Und der Flächenfraß schreitet unaufhörlich voran, an Böden höchster Fruchtbarkeit. 2015 riefen die Vereinten Nationen das „Jahr des Bodens“ aus, um auf den rasanten Verlust unserer Lebensgrundlage hinzuweisen.

Wohnbauspekulation schafft Wohnungsnot

Doch Bauland wird stark nachgefragt. Auf steigende Bodenwerte wird seit einigen Jahren massiv spekuliert. Mieten und damit Lebenshaltungskosten steigen ins Unermessliche. Wohnungsnot ist die Folge - auf die weder der Bund noch das Land eine Antwort geben. Die Landesregierung strebt nach eigenem Bekunden langfristig das Nullflächenwachstum an, lässt jedoch nur geringe Anstrengungen erkennen. Der Kanton Zürich geht entschiedener vor: Per Volksentscheid ist der Stop des Flächenwachstums bereits jetzt Realität, und das bei anhaltendem Bevölkerungszuwachs.


Städte waren immer Integrationsmaschinen und sind es bis heute. Besonders gefordert ist das Oberzentrum Stuttgart als Hotspot der Zuwanderung. Stuttgart weist schon heute einen völlig überhitzten Wohnungsmarkt aus. Die Spekulation auf rasant steigende Bodenwerte und ins „Betongold“ bringt hohe Renditen. Die Wohnraumversorgung steht vor dem Kollaps, da seit 1992 1/3 des Sozialwohnungsbestands aus der Bindung gefallen ist. Die Stadt ist durch die Wohnbauunternehmen erpressbar, denn die drohen mit der vorzeitigen Ablösung weiterer tausender gebundener Wohnungen.

Zusätzlich drückt eine Welle der Altersarmut in die Hilfesysteme. Reallohnverluste und Prekarisierung betreffen immer mehr Menschen. Ein großflächig subventionierter Wohnungsmarkt bei den aktuellen Mondmieten ist für die Stadt unbezahlbar. Es droht eine soziale Katastrophe.

Auswege aus der Wohnkrise

Wie wird diese Situation beherrschbar?

Die Spekulationsspirale und das Marktversagen kann nur durch eine aktive Bodenpolitik und eine Renaissance des kommunalen Wohnbaus durchbrochen werden. Städte wie Wien zeigen wie es funktionieren kann. Wichtige Instrumente dabei sind kommunale Bodenfonds und die Anwendung von Erbpachtverträgen, um die Bauproduktionskosten zu senken, aber eben auch der Neubau von Gemeindewohnungen mit fairen Mieten.

Flächenfraß ist nicht die Antwort - Flächeneffizienz ist die Lösung!

DIE LINKE schlägt deshalb die Anhebung der Bruttowohndichtewerte vor. Eigenentwicklergemeinden können problemlos eine Dichte von 70 EW/ha realisieren, Städte wie Stuttgart mit Leichtigkeit 120 EW/ha. Das Kanton Zürich beweist, wie ein Null- Flächenwachstum trotz Bevölkerungszunahme verträglich planerisch umgesetzt werden kann. Gute städtebauliche Lösungen, hohe Wohnqualität und dichtere Bauweise sind kein Widerspruch. Der Stuttgarter Westen macht es vor: Im am dichtesten besiedelten Bezirk Europas herrscht die höchste Zufriedenheit unter den Einwohnern.

Zentrale Herausforderung ist die Sicherstellung der sozialen Durchmischung: Städte wie Stuttgart, München, Freiburg haben dieses Thema mehr oder weniger mutig durch Innenentwicklungsmodelle angepackt, und erzwingen bis zu 50 % geförderten Wohnraum an der Geschossfläche.

Sie nehmen Einfluss auf die zukünftigen Quartiere, und das ist richtig so. Denn Bauträger entwickeln und sanieren am Bedarf vorbei, bauen ohne Druck der Politik nur im privilegierten Hochpreissegment.

Heute liegen Neubauwohnungen im Schnitt bei 109 qm. Spitzenpreise von 15.000 Euro/ qm werden erzielt. Die Immobilienwirtschaft ist leider Teil des Problems, nicht der Lösung.

Wohnplätze und ÖPNV

Reine Wohnplätze zu entwickeln reicht aber nicht aus: 75 % der Menschen arbeiten nicht in ihrer Wohngemeinde, deshalb sind funktional durchmischte Quartiere und Versorgungsstrukturen vor Ort entscheidend zur Bewältigung der Verkehrsprobleme. Eine „Region der kurzen Wege“, auf dieses Ziel muss die Politik hinwirken.

Fazit

Im Verlauf des letzten Jahres wurde im Austausch mit Experten deutlich, dass eine maßvoll erhöhte Siedlungsdichte kein Widerspruch zu hoher Lebensqualität ist, sofern die städtebauliche, funktionale und architektonische Qualität sicherstellt wird. DIE LINKE setzt sich daher ein für eine Anhebung der Bruttowohndichtewerte im Regionalplan, von der Eigenentwicklergemeinde bis zum Wohnbauschwerpunkt. Denn eine polyzentrische Stadtregion ist nur dann für die Zukunft gerüstet, wenn das Wachstum nicht die Böden aufzehrt, sondern durch qualitätsvolle Dichte Wohnplätze aufgewertet und die Lebensqualität vor Ort verbessert wird.

Die Region braucht zukunftsfähige und effiziente Siedlungsstrukturen, keinen Aktionismus und bestimmt nicht noch mehr Einfamilienhäuschen im Grünen. Die Abwendung der Wohnraumkrise gelingt nur, wenn die Kommunen wieder aktiv in die Wohnraumversorgung als wesentliche Aufgabe öffentlicher Daseinsvorsorge einsteigen und die Zügel bei der Regionalplanung straff gehalten werden.