Rede Regionales Engagement zu Künstlicher Intelligenz (KI)
Rede von Regionalrat Sebastian Lucke in der Regionalversammlung Stuttgart am 27.7.2022 zu TOP 1: "Regionales Engagement zu KI".
Sehr geehrter Herr Regionaldirektor Lahl,
sehr geehrter Herr Vorsitzender Bopp,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz sind wesentliche Treiber der Transformation der Wirtschaft in der Region Stuttgart. Wenn aber wie vor ein paar Wochen ein Vogel die Leit- und Sicherungstechnik aus dem Jahr 1978 und damit den kompletten Stuttgarter Hauptbahnhof lahmlegt, frage ich mich, ob wir hier nicht zwangsweise eine Diskussion à la „Zurück in die Vergangenheit“ führen. Kurz gesagt, die Fernsehserie aus den 80ern fand ich persönlich gut, das analoge Infrastrukturmanagement der Deutschen Bundesbahn eher weniger.
Fernab davon ist das Potenzial von Künstlicher Intelligenz unbestritten, es ist aber sehr abhängig von der jeweiligen Anwendung. Große Potentiale sehen wir vor allem im Strukturwandel und zur Diversifizierung des Wirtschaftsstandorts, weg vom Automobil, hin zu einer zukunftsfähigen Mobilitätsindustrie.
Künstliche Intelligenz ist kein Selbstläufer. Wir als Regionalversammlung müssen dafür Sorge tragen, dass sie die Gesellschaft positiv voranbringt, z.B. in der medizinischen Diagnose, in der Verarbeitung von Umwelt-, Mobilitäts- und Klimadaten, im Schutz kritischer Infrastrukturen und so die Resilienz der Region stärkt, statt Technologiekonzerne zu unterstützen, die zielgerichtete und personalisierte Werbung platzieren wollen.
Für ein regionales Engagement im Bereich KI müssen wir uns als Regionalräte auch im Klaren sein, dass mit der Forschung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz zentrale Weichenstellungen für unser zukünftiges Privat- und Berufsleben, für Wirtschafts- und Finanzakteure ebenso wie für polizeiliches, geheimdienstliches und militärisches Handeln erfolgen.
Viele gesellschaftliche Implikationen sind noch gar nicht absehbar. Es ist daher unabdingbar, so schnell wie möglich einen breiten gesellschaftlichen Diskurs zu führen um eventuelle Grenzen der KI-Forschung sowie deren Anwendung diskutieren zu können.
Es gibt leider bereits Erfahrungen, dass Algorithmen-gestützte Prozesse der Entscheidungsfindung soziale Ungleichheit und Diskriminierung verschärfen. Selbstlernende System sind aus sich heraus nicht ethisch oder moralisch. Sie setzen diejenige Ethik und Moral um, die ihnen ihre Schöpfer einprogrammieren und in deren Rahmen sie "lernen" sollen.
Sie nehmen Rassismus, Sexismus und jedwede andere Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie ein Schwamm auf. So gibt es in den USA bereits krasse Fälle diskriminierender Vorauslese von Bewerberinnen bei Stellenbesetzungen. Das darf es in der Region Stuttgart nicht geben, da hoffe ich sind wir uns alle einig.
Wir halten hier eine öffentliche Ethik-Diskussion zum Einfluss von KI auf verschiedene Lebensbereiche wie z.B. militärische Nutzung, Werbung/Marketing mit Algorithmen, Datenräume und Datensicherheit für zwingend notwendig.
Konkret für die Region Stuttgart gesprochen sollte es unser gemeinsames Ziel sein, eine baden-württembergische bis hin zu einer europäischen Perspektive für Künstlicher Intelligenz mitzuentwickeln und damit die ethische Gestaltungshoheitnicht den aktuellen dominierenden Playern USA und China zu überlassen. Die Entwicklung von KI-Leitlinien könnte sogar zu einem weltweiten Alleinstellungsmerkmal für die Region Stuttgart werden.
Wir als Fraktion DIE LINKE.PIRAT danken abschließend Dr. Rogg, stellvertretend für die Regionale Wirtschaftsförderung, für seinen heute vorgestellten Impuls und nehmen den vorgestellten Bericht wohlwollend zur Kenntnis.