Rede zur Klage der Region gegen das Regierungspräsidium Stuttgart im Fall Refood/Nürtingen

die Entscheidung des Regierungspräsidiums, die vom Planungsausschuss abgelehnte Zielabweichung zu genehmigen, beruht für jeden Leser auf nachvollziehbar falschen, unzulässigen oder fadenscheinigen Argumenten:

Herr Vorsitzender, werte Kolleginnen und Kollegen,

 

die Entscheidung des Regierungspräsidiums, die vom Planungsausschuss abgelehnte Zielabweichung zu genehmigen, beruht für jeden Leser auf nachvollziehbar falschen, unzulässigen oder fadenscheinigen Argumenten:

 

Selbstverständlich gibt es planerische Grundsätze für Biogasanlagen, und es kommen generelle Regeln für Gewerbeansiedlungen zur Anwendung. Der Verweis auf unbewiesene wirtschaftliche Hemmnisse durch die Ansiedlung einer Biogasanlage im Gewerbegebiet darf kein Grund für eine Zielabweichung darstellen. Und die generelle Haltung des Regierungspräsidiums zu Eingriffen in den regionalen Grünzug würde in der Konsequenz unsere Bemühungen zum Freiraumschutz gänzlich zunichte machen. Mit dieser Logik bliebe am Ende vom Freiraum nur noch ein Schweizer Käse übrig.

 

Die Fortführung der Klage gegen die Entscheidung des Regierungspräsidiums ist daher sehr gut begründet. Wir wollen ein gerichtliches Grundsatzurteil, auch wenn dadurch Neuland beschritten wird.

 

Auch wenn wir heute formal nur über die Fortführung der Klage gegen die Zielabweichung entscheiden, ein paar Sätze zum Projekt selbst.

 

Dass die Stadt Nürtingen schwerwiegende Eingriffe in schutzwürdige Güter in Kauf nimmt - insbesondere die Versiegelung hochwertiger Böden und die Überbauung des Grünzugs - und hierbei vom Regierungspräsidium den Rücken gestärkt bekommt, ist sehr bedauerlich und zeigt, dass noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden muss, um das lokale Kirchturmsdenken zu überwinden.

 

Sprichwörtlich bedient sich Nürtingen aller Mittel, um diese Anlage am Standort Großbettlinger Gatter zu realisieren. Man nimmt auch in Kauf, bei der Standortsuche mit unzureichenden Gutachten Optionen zu verschleiern und einzig einen Standort im Aussenbereich als machbar erscheinen zu lassen. Und dort schüttelt man immer neue Standorte zum geeigneten Zeitpunkt aus dem Ärmel um der Region Entgegenkommen zu signalisieren. Und letztlich belastet die Stadt Nürtingen mit ihrem Verhalten dauerhaft ihr Verhältnis zur Nachbargemeinde.

 

Die energetische Verwertung von Lebensmittelresten ist an für sich eine gute Sache. Aber eine großtechnische Anlage mit einem Zuführungsradius von 150 km mitten auf die grüne Wiese dem Nachbarn vor die Nase zu setzen, hat mit Energiewende, Nachhaltigkeit und sozialem Frieden nichts mehr zu tun. Weiterhin fehlt eine Ökobilanz für das vermeintliche „Musterprojekt“.

 

Hier geht es offensichtlich erstrangig um Profit, und um diesen zu erzielen wird ein Unterbietungswettlauf um Lebensmittelreste zu den bestehenden Lebensmittelverwertern in der Region eröffnet. Denn nachweislich sind genügend Kapazitäten zur energetischen Verwertung längst vorhanden. Ein energiepolitischer Blick über den lokalen Tellerrand lässt nur den Schluss zu, dass eine Anlage in dieser Dimension überflüssig ist und unnötige Biomassetransporte durchs Land induziert.

 

Wohlgemerkt spielen diese energiepolitischen Einschätzungen bei unserer heutigen Entscheidung zur Klageaufrechterhaltung keine Rolle, denn hierbei geht es einzig und allein um eine klare Kompetenzabgrenzung zwischen RP und Region in der planerischen Steuerung und um den Schutz des Freiraums. Die Entscheidung des Regierungspräsidiums unwidersprochen hinzunehmen würde als Signal an Kommunen und Investoren gedeutet, dass wir bei der Durchsetzung einer regionalen Betrachtung und Steuerung kein Rückgrat zeigen. Deshalb stimmen wir für den Beschlussvorschlag und die Fortführung der Klage.