Rede zur Freiraumqualität in der Region Stuttgart

Christoph Ozasek

Rede von Christoph Ozasek im Planungsausschuss am 29.01.2014 zu TOP 2: Freiraumqualität in der Region Stuttgart - Indikatoren zu Zustand und Entwicklung einer hoch verdichteten Region. Die Ergebnisse des Berichts sind ernüchternd. Immer mehr fruchtbarer Boden fällt dem Flächenfraß für Straße und Siedlung zum Opfer.



Werte Kolleginnen und Kollegen,
 

Die Verkehrs- und Siedlungsfläche frisst sich weiter in den Freiraum. 3 % absoluter Zuwachs in 25 Jahren, da gibt es keine Interpretationsspielräume. Die individuelle Flächeninanspruchnahme steigt immer weiter zulasten der Böden und besonders der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Das ist eine immense Gefahr für die Ernährungssouveränität. Die Region versucht über den Regionalplan diese schlechte Entwicklung zu steuern - entlang der Entwicklungsachsen und an den regionalen Schwerpunkten für Wohnungsbau und Gewerbe - macht dabei aber das Falsche nur effizienter.

 

Die heutige Generation konsumiert und zerstört den Boden und entzieht den kommenden Generationen die Lebens- und Gestaltungsgrundlagen, das ist das Problem. Und die Natur wird immer stärker vom Menschen verformt, was zu einem Verlust naturnaher Räume für Flora und Fauna führt. Intakte Naturräume existieren quasi nicht mehr, mit mittelschweren Eingriffen finden sich nur noch an der Peripherie der Region entsprechende Gebiete.

Betrachten wir die vielen Einzelfallentscheidungen in der vergangenen Amtszeit dann zeigt sich, dass die Entwicklung weitergeht:

Immer mehr Straße zerstört den Boden, zerschneidet die Landschaft, verlärmt die Region, binden Energie, Ressourcen und Geld zur Aufrechterhaltung dieser Infrastruktur. Der erste öffentliche Bericht zum Regionalverkehrsplan zeigt die Tendenz auf. Die Region will nicht steuernd in den Modal Split eingreifen. Das Auto als technischer Feind des Freiraums bleibt Mobilitätsmittel Nr. 1, das zeigt zuletzt das Bezugsszenario 2025. Im Bundesverkehrswegeplan soll die Stadtautobahn B10 ausgebaut, die A8 und A81 noch leistungsfähiger gemacht werden. Manchen Parteien geht das ja nicht einmal weit genug, sie wünschen sich darüber hinaus einen Autobahnring um Stuttgart oder eine zweite Start- und Landesbahn auf den Fildern.

Der Nachfrage nach neuen Gewerbeflächen, jetzt im Nordkorridor der Region, wird kritiklos nachgegeben. Die Teilplanänderung ist eingeleitet. Der Preis: Mehr Verkehr, mehr zerstörte Böden. Da hilft auch nicht, dass eine Strategische Umweltprüfung das ganze Elend beschreibt. Die Mehrheiten entscheiden gegen die nachhaltige Nutzung der endlichen Ressource Boden.

Kurzum: Die Region könnte viel stärkeren Einfluss nehmen, für eine ökologische und soziale Steuerung, wenn der politische Wille da wäre.

Die Probleme der Region hängen eng mit der Raumplanung zusammen, das zeigt deutlich der vorliegende Bericht. Betroffen sind besonders die Menschen, die diesen Umweltschäden nicht räumlich entfliehen können. 1 Million Menschen sind Betroffene von krankmachendem KfZ-Lärm, das sind die Menschen mit geringen Einkommen. Autolärm bedeutet auch Feinstaubbelastung. Feinstaub ist hochgradig krebserregend und führt besonders zu Erkrankungen der Atemwege.

Die hohe Verdichtung bedeutet auch, dass 600.000 Menschen keinen adäquaten Zugang zu erholsamer Landschaft haben. Hier müssten viel stärker Kompensationsmittel zum Einsatz kommen, um lokale Erholungsräume zu gestalten.

Die Bauflächen, die in diesem hochverdichteten Raum noch zur Verfügung stehen, werden für flächenintensive Einfamilienhaus-Siedlungen oder für Reihenhäuser verschwendet, besonders in Stuttgart. Mieten sind auch deshalb nicht mehr bezahlbar, weil massiv in Betongold spekuliert wird. Diese Form der Raumordnung, die immer mehr Boden als Treibstoff zur Wirtschaftsförderung bereitstellt, erzeugt eben nicht nur ökologische Konflikte, sondern vertieft auch die soziale Spaltung der Gesellschaft.

Wir LINKEN bleiben bei unserer Forderung nach einem bilanzierten Null-Flächenwachstum. Ausnahmeregelungen zur Industrie- und Wirtschaftsförderung im regionalen Grünzug sollten vom Gesetzgeber verboten werden, wenn schon bei den Regionalpolitikern keine Einsicht reift.

Ich nehme den Bericht zur Kenntnis und bedanke mich für die gute Ausarbeitung der Verwaltung. Es fehlen aber die notwendigen Problemlösungsvorschläge und Instrumente um den Flächenfraß zu stoppen.

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Der Bericht steht im Anhang zum Download bereit.

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