Rede: Quo vadis IBA ‘27?

Rede von Christoph Ozasek für die Fraktion DIE LINKE/PIRAT in der Regionalversammlung Stuttgart am 17.04.2024 zu TOP 1

„Quo vadis IBA ‘27“.


Herr Vorsitzender,
werte Kolleg*innen,
Lieber Herr Hofer, liebe Frau Lang,


Quo vadis, IBA. Wohin gehst du?  
Eine berechtigte Frage, doch nicht die entscheidende.  
Viel wichtiger ist eine andere, nämlich: Quo vadis, Region Stuttgart?  
Folgen wir als politische Entscheider der IBA auf einen neuen Entwicklungspfad?  
Stellen wir die Weichen in die Zukunft, oder kultivieren wir die Fehler der Vergangenheit?


Mit voller Gewissheit kann ich sagen: Die IBA ist eine Erfolgsgeschichte.  Und das sage ich keineswegs in blinder IBA-Euphorie. Oder weil ich dem irrationalen Glauben verfallen wäre, man könne in Deutschland, einem Land mit 3.300 baurechtlichen Einzelnormen, plötzlich einen Städtebau-Turbo zünden - wie damals 1927 in der Weissenhofsiedlung, die innerhalb weniger Monate errichtet wurde.  Eine Werkbundausstellung, die uns Architektur von weltkulturellem Erbe hinterlassen hat - wohlgemerkt ohne 3.300 Bauvorschriften.

Nein, die IBA ist ein Erfolg, weil in ihr und durch sie die Vision einer gerechten Zukunft für unsere Städte keimen kann. Durch sie manifestiert sich in unserer Region, in den Plenen und Foren, der Festivalzentrale, an den Hochschulen, in den Rathäusern und Amtsstuben der Diskurs um die Zukunftsfähigkeit des Planens und Bauens.  
Der Wert dieses Diskurses ist unermesslich, denn wir alle wissen um den fiebrigen Zustand unseres Planeten, dass über 50% der globalen Klimaemissionen auf den Bausektor entfallen, und sich die Krise um das Wohnen stetig verschärft. 

Die Bauwende, eine sozial gerechte Bodenordnung, und die Einsicht, dass Architektur und Städtebau starke Motivatoren für gesellschaftliche Veränderung sind, das macht den Wert der IBA aus. Und in eben diesem Sinne entfesselt sie die Vorstellungskraft,  verändert unsere Wahrnehmung der bebauten Umwelt in der wir leben,  schärft den Blick für die soziale Frage des Wohnens und ebenso für die katastrophalen Folgen einer Unkultur des Bauens, die bislang auf Raubbau beruht, auf Renditezielen der Benkos, Banken und Bauträger.

Und in diesem Sinne wird die IBA zum Brennglas: denn die allseits beklagte Hochzinsphase, Lieferengpässe bei Baustoffen, Erschwernisse durch die demographische Welle im Baugewerbe trennt nun auf die letzten Meter sprichwörtlich Spreu von Weizen.

Während renditehungrige Projektentwickler wie die EnBW am Stöckach oder die Adler-Group am Eiermann-Campus längst das Handtuch geworfen haben, sind es eben die gemeinwohlorientierten Initiativen, Genossenschaften und kommunale Wohnbaugesellschaften, die sich der Verantwortung unter erschwerten Randbedingungen stellen. Und das können sie, weil es eben nicht um die Kapitalrendite geht, sondern um die Menschen. 

Wie bei Zukunft Münster 2050, wo Wiener Wohnbautradition mit ökologischen Aspekten und gemeinschaftsbildenden Wohntypologien zu einem produktiven Quartier der Zukunft verschmelzen. 

Oder der Neckarspinnerei in Wendlingen, einem Fabrikantenareal, in dem Wohnpioniere innovative Formen des Zusammenlebens erproben und industriekulturellem Erbe neues Leben eingehaucht wird. Und es ist gut, dass wir über das regionale Kofinanzierungsprogramm für dieses Leuchtturmprojekt der Umbaukultur Starthilfe geben können.

Bauwende steht in Leinfelden-Echterdingen hoch im Kurs: Im KäpseLE wird mit Holz, Filderlehm und Recyclingbeton das erste tatsächlich klimaneutrale Quartier entstehen - gebaut für 200 Jahre. Eine hoffentlich viel beachtete Blaupause der Kultur des klimagerechten Planens und Bauens für künftige städtebauliche und hochbauliche Wettbewerbe!

War die IBA in ihrer Geburtsstunde noch als politisches Feigenblatt erdacht, um den Großkonflikt um Stuttgart 21 zu befrieden, indem man dem Quartier Rosenstein ein strahlendes Mäntelchen überwirft, so blendend, dass man die dort versenkten 11,5 Milliarden Euro Steuergeld nicht mehr erahnen kann, so wurde sie in letzter Sekunde doch noch vor einem traurigen Schicksal bewahrt. Denn im Rosenstein gäbe es 2027 hauptsächlich verrottete Schienenanlagen und ein paar hämisch grinsende Eidechsen zu sehen.

Doch als IBA für die Stadtregion konnte sie in den zurückliegenden Jahren volle Wirkung entfaltet. Sie wird uns mit neuem baukulturellem Erbe beschenken, und biegt nun in die Zielgerade ein. Wir können gewiss sein, 2027 wird ein glanzvolles IBA-Jahr. In diesem Sinne richten wir unseren großen Dank an das ganze IBA-Team für Eure herausragende Leistung.