Rede: Offenlagebeschluss Windenergie

Rede von Christoph Ozasek in der Regionalversammlung Stuttgart (25.10.2023) zu TOP 2: Teilfortschreibung des Regionalplans für die Region Stuttgart im Funktionsbereich Vorranggebiete für regionalbedeutsame Windkraftanlagen - Beschluss zur Offenlage

Herr Vorsitzender,
sehr geehrter Herr Dr. Lahl,
werte Kolleg*innen,

Windenergie gehört untrennbar zur hiesigen Wirtschaftsgeschichte:
Bereits 1957 wurde bei der Firma Allgaier in Uhingen die legendäre Windkraftanlage
WE-10 entwickelt, der Prototyp aller modernen Windmühlen.

Wir verfügen in Stuttgart über Deutschlands ersten universitären Lehrstuhl für
Windenergie, mit viel ingenieurswissenschaftlichem Know-How, eingebettet in einen
Forschungscluster von 25 Gruppen an sieben Universitäten und Forschungseinrichtungen
in Süddeutschland.

Und das wichtigste: Wir sind reich an windhöffigen Lagen.

Jedoch herrscht noch immer Eiszeit beim Ausbau der Windparks. Der Nachholbedarf bei den Erneuerbaren Energien ist immens. Gemessen am Endenergieverbrauch unserer Region mit 61.000 GWh/a in 2019, ist der Anteil regionaler grüner Energie ein statistisches Hintergrundrauschen.

Die Region hängt wie ein kranker Patient am Tropf fossiler Energie.

19,5 Mio Tonnen des Klimagifts CO2 pumpten Industrie, Gewerbe, Haushalte und der
Verkehrssektor 2019 in die Atmosphäre. Beim Verkehr ist sogar ein deutlicher Anstieg zu
verzeichnen. Die Erfolge bei der Dekarbonisierung sind verschwindend gering.
Gerade einmal 2 % Einsparung konnten seit 2012 realisiert werden. Es mangelt bis heute
an einer wirksamen Klimaschutzstrategie im Regionalverband, auf die meine Fraktion
seit vielen Jahren dringt.

Mit der Fachplanung Wind haben wir nun die Chance, zumindest im Sektor
Energieerzeugung ebendiese Strategie auszuformen.

Fossile Energie ist Nährstoff für kriegführende Regime und Zündstoff der globalen
Klimakatastrophe. So traurig es ist: es bedurfte erst des Energiepreisschocks infolge
von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine, sowie der Sabotage der Nord-Stream-Pipelines,
um Bundes- und Landesgesetzgeber hinreichend zu motivieren, im Zuge der drohenden
Versorgungskrise die bürokratischen und rechtlichen Hürden für die Windenergienutzung
an Land abzuräumen.

Mit dem Windenergieflächenbedarfsgesetz wurden nun endlich verbindliche
Flächenziele definiert. Das „überragende öffentliche Interesse“ an der Nutzung des Winds
als Energiequelle ermöglicht künftig die Überwindung zahlreicher rechtlicher Widerstände
und planerischer Risiken.

Mit der Offenlage des Fachplans geben wir nun 95 km2 Potentialfläche für
Windenergienutzung in die Anhörung. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an die
Geschäftsstelle für diese Kraftanstrengung.

Denn aufgrund der verunglückten Planungsoffensive der Landesregierung und der
auslaufenden Amtsperiode bleibt bis Mitte 2024 nicht übermäßig viel Zeit, um den
Satzungsbeschluss zu fassen.

Gelingt dies nicht, so droht der vollständige Verlust der regionalplanerischen
Steuerungswirkung – was niemand in diesem Saal wollen kann. Unser gemeinsames
Anliegen muss es sein, die Fachplanung zum Erfolg zu führen.

Mit dem vorliegenden Planentwurf verbindet sich ein Vorsorgeabstand von 800 Metern
zur Wohnbebauung – deutlich mehr, als der Gesetzgeber vorschreibt. Keine Kommune wird „umzingelt“, auch hierfür wurde Sorge getragen. Zudem kommt dem Schutz von Kultur- und Sachgütern mit besonderem historischen Wert große Bedeutung zu.

Klar ist allerdings – und das sage ich an die Adresse aller Kritiker: Windenergie wird Teil
unserer Kulturlandschaft sein und wie selbstverständlich zu unserem Landschaftsbild
gehören.

Windstrom macht unsere Versorgung und unsere Wirtschaft krisenresilient, denn keine
Energieerzeugung kann günstigere Stromgestehungskosten nachweisen. Der Wohlstand unserer Region hängt unmittelbar an der Verfügbarkeit bezahlbarer, regenerativer Energie.
Wer diesen Zusammenhang nicht versteht, irrlichtert in eine völlig ungewisse Zukunft
und entzieht sich der Verantwortung zum globalen Klimaschutz.

Werte Kolleg*innen, die Abhängigkeit von Öl und Erdgas ist das größte Zukunftsrisiko.
Nur eine Windregion, eine Region der Erneuerbaren Energien, ist eine resiliente Region –
in diesem Sinne hoffen wir auf eine breite Koalition der Vernunft. „Not in my backyard“
ist kein Zukunftsversprechen, sondern ein Garantieschein für Stillstand und
Energiearmut.

Vielen Dank.