Rede: Offenlagebeschluss Freiflächen-Fotovoltaik

Christoph Ozasek

Rede von Christoph Ozasek (Fraktionsvorsitzender LINKE/PIRAT) in der Regionalversammlung Stuttgart am 5.6.2024 zu TOP 1: "Teilfortschreibung des Regionalplans für die Region Stuttgart im Funktionsbereich Solarenergie – Offenlagebeschluss"



Herr Vorsitzender,
werte Kolleg*innen,

„Land unter“ im Süden: Die sintflutartiger Regengüsse in den zurückliegenden Tagen haben
Flüsse und Bäche dramatische anschwellen und vielerorts über die Ufer treten lassen. Nicht
wenige Gemeinden sind gezeichnet von den schwerwiegenden Folgen. Der unermüdliche
Einsatz der Feuerwehren - oft unter Einsatz des eigenen Lebens -, der Rettungskräfte und
ehrenamtlicher Helfer*innen verdient größte Anerkennung.

Ohne wirksamen Klimaschutz steigt die Gefahr für Leib und Leben, durch Hochwasser und
Hagel, Dürren und Hitzewellen, und viele weitere klimawandelbedingte Folgen, sprunghaft
an. Das Elementarschadenpotential wächst stetig, und die Bemühungen hin zur
präventiven Klimaanpassung, zu einer klimaresilienten Stadt- und Ortsentwicklung, bleiben
deutlich hinter dem Erforderlichen zurück. Um diese Gefahren beherrschbar zu halten, ist
jedes Zehntel Grad entscheidend.

Erneuerbare Energien sind der Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit unserer Region - auch
und gerade im Hinblick auf die globalen Energiekrisen. Und in diesem Sinne war es ein
entscheidender Schritt, das „überragende öffentliche Interesse“ für Erneuerbare Energien
im EEG zu verankern.

Der deutliche Rückstand bei den Klimaschutzbemühungen in der Region Stuttgart, in den
Sektoren Energie, Wärmeversorgung, Mobilität, ist ein unverzeihlicher Fakt.

90 % des Solarpotentials auf Dachflächen in der Region Stuttgart ist bis heute ungenutzt.
Das entspräche der Leistung 10 fossiler Großkraftwerke. Solare Energie, die dort erzeugt
werden könnte, wo sie auch benötigt wird - an den Gebäuden und Industrieanlagen.
Dezentrale klimafreundliche Energie, die zusätzlich die Kosten für den teuren
Stromnetzeausbau vermindern würde.

Dass es 10 Jahre gedauert hat, bis der Landtag nach der Machtübernahme der Grünen
endlich eine Solarpflicht für neue und grunderneuerte Dächer beschlossen hat, wirkt bis
heute nach.

Und dass die grün-schwarze Landesregierung, anstatt eine PV-Nachrüstpflicht zu
beschließen, um endlich dieses immense Potential der Dächer und Fassaden zu aktivieren,
nun derartigen Druck auf den Verband Region Stuttgart ausübt, den regionalen Grünzug
weitgehend für große Freiflächen-Fotovoltaik-Anlagen zu öffnen, ist mehr als bedauerlich.

Solare Energienutzung wird durch diese Vorschlaghammer-Methode zum
Landnutzungskonflikt und zum Konflikt mit umweltbezogenen Schutzgütern.
Wir bekommen in der Konsequenz bayerische Verhältnisse, mit riesigen Mono-Solarfeldern
auf hochwertigen Böden, auf wertvollen Freilächen, ohne bauliche Vorprägung. Allein
aufgrund der sehr hohen Pachterlöse und der Goldgräberstimmung werden viele
Gemeinderäte Bebauungspläne für Solarfarmen beschließen.

Noch dazu wird von der Landesregierung die solarthermische Energienutzung, die zur
Verringerung der Abhängigkeit unserer Landwirtschaft von fossilem Erdgas in den
Gewächshäusern, Stallungen und Wirtschaftsgebäuden beitragen könnte, unsinnigerweise
ausgenommen. Und es wird die Freiflächen-Fotovoltaik auch nicht im Sinne
multifunktionaler Landnutzung als Agri-PV, mit dem Kulturpflanzenanbau verknüpft.
Kurzum: Die Landesregierung hätte vieles besser machen können.

Aber nun ist es, wie es ist. Mit dem Offenlagebeschluss vollziehen wir am Ende der
Amtsperiode den ersten Schritt, über drei Plansätze und den Kriterienkatalog für
Vorbehaltsgebiete einen Ordnungsrahmen für die Freiflächen-Fotovoltaik im Regionalplan
aufzuspannen, und damit den Erfordernissen des Gesetzgebers Rechnung zu tragen.
Der Planungsausschuss hat sich bemüht, die regionalplanerische Steuerungswirkung zur
Schutz des Freiraums so weit zu erhalten, wie möglich:

Waldgebiete mit ihrer großen Wohlfahrtswirkung und bedeutsam als Klimasenke, den für
die Artenvielfalt bedeutsamen Biotopverbund und exponierte Flächen mit hoher
Landschaftsbildqualität auszunehmen, ist völlig richtig. Dieses Verhandlungsergebnis tragen wir mit.

Trotz der genannten handwerklichen Fehler, die uns das Land beschert hat, ist dieser
heutige Beschluss ein wesentlicher Baustein zur Entfesselung der Energiewende in der
Region. Freiflächen-Fotovoltaik ist laut Zahlen des Thünen-Instituts im Vergleich zum
Energiepflanzenanbau wie Mais für die Biogaserzeugung um den Faktor 33 effizienter. 33
Hektar Mais-Monokultur lässt sich durch einen einzigen Hektar Freiflächen-Fotovoltaik
ersetzen.

Abschließend möchte ich unseren Dank an die Geschäftsstelle richten, die unter hohem
Zeitdruck diesen Offenlagebeschluss ermöglicht hat. Ich hoffe es bleibt Ihnen und uns
zumindest in diesem Verfahren erspart, vor dem Satzungsbeschluss 6.500 Stellungnahmen
zu sichten.