Rede: Breitband-Region Stuttgart: Infrastruktur gehört in öffentliche Hand!

Rede von Regionalrat Sebastian Lucke zu Top 1 (Stand des Glasfaser-Kooperations-Programms; Bericht Herr Bahde) der Sitzung der Regionalversammlung Stuttgart am 3.4.2019

 

Sebastian Lucke

Breitband-Region Stuttgart: Infrastruktur gehört in öffentliche Hand!


Sehr geehrte Frau Regionaldirektorin, sehr geehrter Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Als am 3. September 1993 der Bundestag der entsprechenden Grundgesetzänderung zustimmte, dass nach der Deutschen Bahn nun auch die Deutsche Bundespost privatisiert und anschließend neben Post und Postbank zerlegt als Deutsche Telekom AG den ungehinderten Marktkräften ausgeliefert werden konnte, wollten die meisten nicht wahrhaben, welche Geister sie damit hervorriefen. Nichtsdestotrotz gab es schon damals Stimmen, die davor warnten, öffentliche Dienstleistungen privaten Gewinninteressen auszusetzen, d.h. wesentliche Teile der öffentlichen Daseinsvorsorge der demokratischen Willensbildung und Kontrolle zu entziehen und stattdessen in die Hände profitorientierter Großunternehmen zu geben.

Die Folgen der Privatisierung der Bahn können nicht nur Pendler in der Region Stuttgart tagtäglich miterleben, sondern auch wir als Regionalräte der vermutlich einzigen autofreien Fraktion, haben regelmäßig dieses zweifelhafte Vergnügen. Durch den gleichen Privatisierungswahn ist die Region Stuttgart bis dato Entwicklungsland in Sachen digitaler Infrastruktur - soviel zu den angeblich segensreichen und innovationsfördernden Wirkungen von Wettbewerb.


Am heutigen Tag reden wir über den aktuellen Stand der Kooperationsvereinbarung zwischen der Telekom und dem Verband Region Stuttgart bezüglich des regionalen Breitbandausbaus. An dieser Stelle herzlichen Dank für ihren Bericht Hr. Baade. Es ist erfreulich, dass das Prinzip des offenen Zugangs im geplanten Breitbandnetz einen zentralen Aspekt in ihren Bemühungen einnimmt. Auch finden wir es positiv, dass es bereits erste Kooperationsabsichten zwischen der Telekom und den Stadtwerken gibt. Diese steigen bestenfalls noch an und untermauern somit den offenen und dezentralen Ansatz in der Breitbandversorgung, welchen wir als Fraktion auch in der letzten Haushaltsberatung gefordert haben.

Die geplanten kommunalen Umsetzungsvereinbarungen zusammen mit der Telekom geben den Städten und Gemeinden hoffentlich die rechtliche Sicherheit in Hinblick auf Leistungsumfang und vor allem Netzabdeckung, welche die Telekom verspricht. Hier bestehen seitens meiner Fraktion aber immer noch große Bedenken. Wir begrüßen es selbstverständlich, dass die Telekom durch den politischen Druck seitens der Regionalversammlung und allen voran der Fraktion DIE LINKE, zusätzlich zum wirtschaftlichen Eigenausbau von 90 % nun bis zu 100 % Netzabdeckung in den Kommunen bei partnerschaftlichem Ausbau in Aussicht stellt. Aber dass die Telekom das aus der Einsicht täte, dass Netzinfrastruktur zur öffentlichen Daseinsvorsorge gehört und keinen Marktinteressen unterliegen darf, dieser Illusion gibt sich zumindest meine Fraktion heute und hier nicht hin. Es ist offensichtlich, dass diese bisher formulierten Zugeständnisse lediglich der Versuch sind, entgegen aller kritischen Stimmen an der privilegierten Stellung festzuhalten.


Wir befürchten vielmehr, dass die Telekom im Zuge des Breitbandausbaus in der Region Stuttgart ihre Vormachtstellung ausnutzt, die Netzinfrastruktur in ihr eigenes privates Eigentum überführt und so ein Angebotsmonopol in der Region Stuttgart entsteht, bei welchem sowohl Unternehmen als auch Privatnutzer_innen zum Schluss über den Tisch gezogen werden. Hier kommt es insbesondere im Kooperationsvertrag auf die Höhe der festgelegten Strafzahlungen gegenüber der Telekom, auf die regulären und Sonderkündigungsrechte seitens des Verbandes Region Stuttgart und auf zusätzliche Breitbandvorsorge via eigenem und vor allem öffentlichem Backbone an.

Ansonsten wird sich das uns heute hier angepriesene Schnelle Internet - egal ob Breitband oder 5G - jenseits der Groß- u. Mittelzentren spätestens im ländlichen Raum zum Schnecken-Internet reduzieren, trotz aller Versprechungen seitens der Telekom. Darum sei an dieser Stelle nochmal abschließend bemerkt: Egal ob ÖPNV oder Breitband – Infrastruktur gehört in öffentliche Hand.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!