Rede: Änderung des Regionalplans - Gebiete für Rohstoffvorkommen

Rede von Regionalrat Christoph Ozasek (Fraktionsvorsitzender, DIE LINKE/PIRAT) in der Regionalversammlung Stuttgart am 26.7.2023, zu TOP 2: Änderung des Regionalplans Region Stuttgart 2009 im Kapitel 3.5 Gebiete für Rohstoffvorkommen - Ergebnisse des Beteiligungsverfahrens und Satzungsbeschluss.



Herr Vorsitzender,
werte Kolleg*innen,


Bauen wir Zukunft? 

Oder verbauen wir rücksichtslos die Lebensgrundlagen künftiger Generationen? Das ist die eigentliche Abwägung, über die wir heute zu befinden haben. Eine Weichenstellung für – oder gegen – die Zukunft.

Die Baubranche ist ein Klimakiller. Der KlimarieseBauwirtschaft verantwortet fast 50 % der globalen CO2-Emissionen. Sein Hunger nach endlichen und kritischen Primärrohstoffen scheint unstillbar. 

Er verschlingt Steine, Sande und Erze, damit Paläste aus Stahlbeton und Glas, 1.000 Kilometer neue Autobahn für Porscheminister Wissing und unzählige Einfamilienhäuser auf fruchtbaren Äckern und saftigen Wiesen entstehen können. Für den Überkonsum der Wenigen – auf Kosten der Vielen.

Jährlich 100 Millionen Tonnen an Steinen und Erden verschlingt der Klimariese allein in Baden-Württemberg. Unsere Steinbrüche sind sein All-Inclusive-Bankett: ein Rundum-Sorglos-Paket.

Doch er verschlingt nicht nur, was die Politik ihm offeriert, er reißt nieder, wie es ihm beliebt. Die Baubranche ist die größte Abfallproduzentin Europas, schreibt Walter Rogg im Vorwort der Druckschrift „Zirkuläres Bauen in der Praxis“.

Nach Zahlen der DGNB sind 54 % des Abfalls in Deutschland mineralische Baustoffe. Ein unaufhörlicher Strom werthaltigen Bauschutts erfährt eine Endlagerung in den Deponien – denn das Bankett in den Steinbrüchen ist garantiert, solange sich die Politik nicht besinnt und dem Wahnsinn ein Ende bereitet. Denn niemand recycelt, wenn kein Anreiz dazu besteht.

Der Anteil recycelten Bauschutts und Straßenaufbruchs beträgt lediglich 10 % und entfällt zum größten Teil auf den Tiefbau. Beim Beton liegt der Anteil bei verschwindenden 1,4 %.

Die Verwaltung zog in der Drucksache zur Offenlage die traurige Bilanz, dass (Zitat) eine „signifikante Substitution mineralischer Rohstoffe durch Recycling aufgrund des begrenzten Materialrückflusses nicht möglich ist.“ 

Herr Kiwitt, die Substitution von Primärrohstoffen für das Bauen – durch Recycling und Rohstoffkreisläufe – passiert genau deshalb nicht, weil Primärrohstoffe immer verfügbar sind und billig gehalten werden. 

Und weil die Umweltfolgekosten, die Kosten für das Klima, nicht eingepreist sind. Die Verfügbarkeit billiger Primärrohstoffe wirkt innovationshemmend auf die gesamte Baubranche.

Niemand zwingt uns heute, ein neues Bankett für den Klimariesen zu eröffnen. Im geltenden Regionalplan ist bereits ein Förderhorizont bis 2049 für Rohstoffe verankert. Wir erfüllen alle Vorgaben des Gesetzgebers im Landesentwicklungsplan. Wir sind heute frei in unserer Abwägung.

Die schweren Eingriffe in den Naturhaushalt in Markgröningen, in Rielingshausen, die immense Belastung für die Menschen vor Ort, im Schatten einer klaffende Wunde in der Landschaft zu leben, vom Donner der Sprengungen und dem unaufhörlichen Lärm der LKWs um Lebensqualität beraubt: all das wäre vermeidbar. 

Wenn wir den Übergang aus dem klimazerstörerischen Bauwahn in eine neue Kultur des zirkulären Bauens gestalten wollen, dann muss das Bankett spätestens 2049 schließen.

Werte Kolleg*innen, nichts ist alternativlos. 

Studien des Umweltbundesamts zeigen, dass 100 % zirkuläres Bauen möglich ist – vorausgesetzt, die Politik stellt hierfür rechtzeitig die Weichen. 

Aber: Zirkularität ist nicht nur möglich, sondern unverzichtbar für den Klimaschutz. Denn laut des „Circularity Gap Report“ kann sie 39 % der globalen Treibhausgasemissionen vermindern. Die Hebelwirkung wäre gigantisch.

Doch wenn eine der reichsten und innovativsten Regionen der Welt nicht damit beginnt, den Klimariesen zu bändigen: wer dann? 

Städte wie Zürich oder Amsterdam schreiten entschlossen voran – und in Stuttgart, der Stadt mit der größten Architekt*innen- und Planer*innendichte, wollen wir weiter klimazerstörerisch bauen, wie zum Beginn der Architekturmoderne vor 100 Jahren?

Als Regionalversammlung können wir heute zeigen, ob der Diskurs in den Foren der IBA’27 fruchtet – oder aufgrund mangelhaften Lernwillens kollektives Nachsitzen in der IBA-Festivalzentrale verordnet werden muss.

Mit dem Schritt, die bisherige Rohstoffverfügbarmachung für eine lineare Bauwirtschaft gedankenlos fortzusetzen, unterlaufen wir die Bemühungen für eine Bauwende. Die Kreislaufökonomie scheitert, solange der Zustrom von Primärrohstoffen nicht gedrosselt wird. Dessen sollten Sie sich heute alle bewusst sein.

Meine Fraktion begrüßt die Streichung des Abbaugebiets in Weissach zugunsten des Naturschutzes – und wir beantragen daher eine getrennte Abstimmung über den Beschlusspunkt 2.3. 

Die Erweiterung der Steinbrüche in Rielingshausen und Markgröningen lehnen wir hingegen ab.