Rede zum Regionalverkehrsplan

Wolfgang Hoepfner zum Einstieg in die Formulierung eines neuen Regionalverkehrsplans.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

die Folgen der Reaktorkatastrophe in Fukushima müssen nicht nur zu einem neuen Nachdenken in der Energiepolitik führen, sondern auch in der Verkehrspolitik.
Denn es sollte jetzt klar sein, dass ein reiner Wechsel der Antriebstechnik - weg vom Verbrennungsmotor hin zum Elektromotor – nicht ausreichen wird, um fundamentale ökologische und soziale Probleme des Verkehrs zukunftssicher zu lösen.

Wer allein nur den Wechsel der Antriebstechnik als Heilmittel propagiert und ansonsten den motorisierten Individualverkehr für Personen und Güter als gottgegeben hinnimmt, hat in Wirklichkeit keine Lösungen für die Probleme des Flächenfrasses, der Bodenversiegelung, der Zweckentfremdung von Städten und Gemeinden als Parkraum und Verkehrsfläche, sowie der menschlichen Verkehrsopfer in vielfältiger Weise.
Auch für Energie- und Ressourcenverbrauch, Emissionen und Lärm bietet ein alleiniger Wechsel des Antriebskonzeptes bestenfalls Teillösungen.

Deswegen kann sich der neu zu erstellende Regionalverkehrsplan nach Meinung der LINKEN nicht in „Business as usual“ erschöpfen, in dem wie bisher fleißig neue Umgehungsstrassen und Strassenausbauten sowie als Konzession an die umweltbewegten Teile der Bevölkerung einige wenige Schienenstrecken geplant werden.
Die meisten Planungen werden angesichts der von den letzten Bundes- und Landesregierungen herbeigeführten Finanznot der öffentliche Kassen derzeit sowieso unfinanzierbar und deswegen in vielen Fällen nicht viel mehr als ein Placebo zur Ruhigstellung aufgebrachter Bürger sein.
Auch Stuttgart 21 wird nach Meinung der LINKEN wenig bis gar nichts zur Lösung der grundsätzlichen Verkehrsprobleme der Region beitragen, da viel zu viel des knappen Geldes der öffentlichen Kassen für viel zu wenig Nutzen investiert wird -  Geld, das für andere Projekte sehr viel effektiver eingesetzt werden kann.

Es wird sicherlich in den nächsten Monaten spannend zu beobachten sein, ob - und wenn ja in welcher Form - sich hier die neue Landesregierung positionieren wird.

Der neue Regionalplan muß nach Meinung der LINKEN vielmehr den Schwerpunkt auf die Förderung neuer Mobilitätsmodelle setzen, die durch konsequente Verkehrsvermeidung sowie Verzahnung und Koordinierung umweltschonender Angebote wegführen vom vermeintlichen Zwang zum eigenen PKW.
Als Zielmodell muß dieser Verkehrsplan das autofreie Wohnquartier mit Handels- und Gewerbeinfrastruktur sowie umweltschonendem vernetztem Mobilitätsangebot als bedarfsorientierten Mix aus ÖPNV, Carsharing und Fahrradverleih vorsehen.
Konsequent umgesetzt, wird ein derartiges Zielmodell auch den öffentlichen Kassen mittel- und langfristig zugute kommen, da es zwangsläufig die Ausgaben für Erstellung und vor allem Unterhaltung von Verkehrsinfrastruktur drastisch senken wird.

Auch im Güterverkehr muss dieser Verkehrsplan neue Wege gehen.
Das regionale Konzept der Logistikzentren muß unter verstärkter Einbeziehung der Schiene weiterentwickelt und verfeinert werden.
Es dürfen keine Güteranschlüsse mehr stillgelegt werden, sondern vielmehr müssen vorhandene Gleise reaktiviert und wo immer möglich auch neu gebaut werden.
Für auch kleinteilige Logistikkonzepte über die Schiene gibt es bereits in der Republik viele positive Beispiele.
Die Region sollte auch hier den Willen haben, durch innovative und flexible Konzepte einen Spitzenplatz nicht nur in Deutschland, sondern in Europa zu erreichen.

In vielen der hier nur angerissenen Punkte gibt es bereits vielfältige und positive Beispiel.
Die Wirtschaftsförderung der Region hat bei der Maßnahmenplanung und Umsetzung von umweltfreundlicher Mobilität bereits einige Erfahrungen gesammelt.
Dies alles muß der neue Regionalverkehrsplan aufgreifen und in einem stimmigen Konzept bündeln.
Natürlich kann dies nur funktionieren, wenn im Verlauf der Planerstellung möglichst alle Beteiligten einbezogen werden.
Dabei ist – ich betone dies nochmals – für die LINKE entscheidend, dass nicht nur isolierte Angebote gemacht werden, sondern diese koordiniert und vernetzt werden.
Eine wichtige Rolle spielen dabei einfache und auch preiswerte Tarife sowie einheitliche Zugangs- und Abrechnungssysteme.
Die Region und auch alle anderen Aufgabenträger können es sich nicht erlauben, einfach nur zuzusehen, wenn Privatanbieter nebeneinander isolierte Angebote machen oder gar einen Verdrängungswettbewerb führen, wie dies zeitweilig die DB AG mit Stadtmobil Stuttgart vorhatte.

Meine Damen und Herren, dies mag für manche Ohren noch utopisch klingen, aber eigentlich haben wir – zumindest im Verkehrsausschuss – dies grundsätzlich schon so als Zielmodell beschlossen.
Bereits im März 2010 hat der Verkehrsausschuss unter anderem auf Initiative der LINKEN einen einmütigen Grundsatzbeschluß gefasst, der ein integriertes und vernetztes Mobilitätsangebot in der Region für notwendig erachtet.
Dieser Beschluss wurde durch entsprechende Anträge von SPD und GRÜNEN im Rahmen der letzten Haushaltsdebatte nochmals untermauert.
Auch der interfraktionelle Antrag zur Mobilität von CDU, Freien Wählern und FDP enthält zentrale Elemente eines integrierten Mobilitätsangebotes jenseits vom Privat-PKW.

Lassen Sie uns mutig sein.
Lassen Sie uns unsere gemeinsamen Beschlüsse ernst nehmen und im Rahmen des regionalen Verkehrsplans in praktische Politik zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger umsetzen.
Lassen Sie uns gemeinsam der Versuchung widerstehen, mit kurzfristigen und kurzsichtigen Lösungen den verkehrsgeplagten Menschen Sand in die Augen zu streuen.
Lassen Sie uns gemeinsam an kreativen und nachhaltig zukunftsfähigen Lösungen für die Verkehrsprobleme der Region arbeiten.

Die LINKE wird ihren Teil dazu beitragen.

Ich danke Ihnen für Ihre Geduld.


Wolfgang Hoepfner, 30.03.11