Rede: Tarifzonenreform im VVS

Rede von Regionalrat Ingo Mörl zum Thema "Tarifzonenreform im VVS" in der Regionalversammlung Stuttgart am 25.4.2018

Regionalversammlung Stuttgart, 25.4.2018


TOP 1: Tarifzonenreform im VVS


Ingo Mörl, Regionalrat


Sehr geehrte Frau Dr. Schelling, sehr geehrter Herr Bopp, liebe Kolleginnen und Kollegen, werte Zuhörende,

wir schreiben heute das Jahr 2018 und damit auch das 40-jährige Jubiläum des Tarifverbundes im VVS. Als am 1.10.1978 die ersten drei S-Bahn-Linien von der Schwabstraße nach Ludwigsburg, nach Plochingen und nach Weil der Stadt starteten, brauchten die Fahrgäste nur einen Fahrschein, um die Fahrzeuge der SSB, der S-Bahn und der Nahverkehrszüge der Deutschen Bahn bzw. Bundesbahn benutzen zu können. Diese Vereinfachung des Angebotes war ein Garant für dessen Erfolg.

Obwohl der Tarifverbund im Laufe der 40 Jahre auf 52 Zonen angewachsen ist, diskutieren wir erst jetzt die erste umfassende Tarifreform.

Das ist kein Grund zum Feiern, sondern ein Armutszeugnis. Heute ist der VVS einer der teuersten und komplexesten Tarifverbünde. Netzjahreskarten kosten bis zu 2341 € für 7 und mehr Zonen.

Schauen wir nach Wien, einer vergleichbaren Region mit unserer Region Stuttgart. Hier fährt der ÖPNV-Nutzer mit einer Netzkarte zum Preis von 365 € günstig und bequem durch das Netz.

Die permanenten Forderungen und Anträge der Piraten und Linken zur Vereinfachung und Preissenkung im VVS werden nun endlich zur Kenntnis genommen.

Wir haben aber noch viel zu tun. Die heute diskutierte Reform ist nur ein erster, aber ungeheuer wichtiger Schritt.

Im Gegensatz zur FDP sind wir allerdings der Meinung, dass dieser Schritt jetzt gegangen werden muss. Eine Utopie, für die die politischen Mehrheiten fehlen und dann scheitert, verringert weder die Komplexität im VVS noch senkt sie die Zugangshürden zum ÖPNV.

Wenn wir es aber schaffen, die 52 Zonen auf 5 oder 6 Ringe zu reduzieren, sinkt die Komplexität des Tarifsystems um ein Vielfaches. Mit dieser Maßnahme reduzieren wir Zugangshemmnisse zum ÖPNV und können hoffen, den Anteil des Öffentlichen Personennahverkehrs zu erhöhen.

Das kann aber nur der erste Schritt sein. Die soziale Schieflage des teuren Tarifverbundes bleibt erhalten. Eine fahrscheinlose Nutzung des ÖPNV lehnt ja eine große Mehrheit von Ihnen weiter ab.

Obwohl diese Mobilitätsflat, von der jeder profitieren würde, schon für 20€ im Monat zu haben wäre, werden wir wohl noch weiter dafür kämpfen müssen. Für uns ist es absolut unverständlich, dass in einer der reichsten Regionen der Welt die Mobilität nicht als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen wird.

Eine Tarifreform bleibt auch unvollständig, solange nicht alle daran teilhaben können. Unsere Forderung nach einem VVS-weit einheitlichen Sozialticket bleibt daher unabhängig von der Ausgestaltung der Tarifreform weiterbestehen.

Gerade Einwohner mit geringen finanziellen Ressourcen befriedigen ihre Mobilitätsbedürfnisse mit den Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung stehen. Vom ÖPNV ausgeschlossen, werden soweit möglich Fahrzeuge benutzt, die gerade noch finanzierbar sind. Es ist nicht davon auszugehen, dass diese günstigen Fahrzeuge den aktuellen Anforderungen an Spritverbrauch und Umweltschutz genügen. In den meisten Fällen jedoch sind diese Menschen durch die hohen Fahrpreise von der Teilnahme am überörtlichen kulturellen, politischen und sozialen Leben ausgeschlossen.

Wie wir mit diesen stinkenden Blechbüchsen die europäischen Umweltziele erreichen wollen, ist unsere Fraktion ein Rätsel. Wenn wir also von „alternativlos“ sprechen, dann ist ein einheitliches Sozialticket in der Region Stuttgart gemeint, als Übergangslösung bis zum fahrscheinlosen Nahverkehr.

Das geplante Ringsystem offenbart aber auch noch einen weiteren Mangel im VVS. Ausgerichtet ist dieses System auf die Landeshauptstadt. Das mag beim Start des VVS seine historischen Gründe gehabt haben, benachteiligt aber die Mittelzentren unangemessen. Diese strukturelle Benachteiligung der Landkreise gegenüber der Landeshauptstadt erfordert die Transformation in eine polyzentrische Region Stuttgart mit sechs gleichberechtigten Partnern.

Eine polyzentrische Region lässt sich nur in einem polyzentrischen Tarifsystem im ÖPNV abbilden. Das aus unserer Sicht beste System ist also ein Wabensystem, ähnlich dem Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VVR), das Mittelzentren im Nahverkehr stärkt, solange es keine Finanzierungsgrundlagen für einen fahrscheinlosen ÖPNV gibt.

Nach der Reform ist also vor der Reform, packen wir es an.

Zum Abschluss noch ein paar Worte zur Finanzierung der Reform. Wer soll die notwendigen Kosten übernehmen? Die Anwohner Stuttgarts mit ihren Umweltproblemen? Nein, denn es ist nicht ihre Schuld, wenn Anwohner aus dem Umland ausgerechnet durch die Landeshauptstadt fahren müssen, um ans Ziel zu kommen. Auch diese Pendler fahren bestimmt nicht freiwillig durch die verstopften Straßen Stuttgarts. Ebenso wenig sind die Steuerzahler des Landes am Bodensee oder im Schwarzwald verantwortlich für die fehlerhaften autozentrierten verkehrspolitischen Entscheidungen, die in der Region heute täglich zum Verkehrschaos führen.

Es ist also ein Problem der Region, das auch in der Region und durch die Region gelöst werden muss. Eine finanzielle Beteiligung der Region ist daher unserer Ansicht nach der beste Weg hin zu einer angemessenen Finanzierung der 42 Mio. € für diese absolut notwendige Tarifreform.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.