Rede - KI in der Region Stuttgart

Marc Dreher

Rede von Marc Dreher (DIE LINKE) in der Regionalversammlung Stuttgart am 30.07.2025 zum Thema "KI in der Region Stuttgart".


Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
Sehr geehrter Herr Dr. Lahl,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

KI ist die wohl gleichzeitig meist über- und unterschätzte Technologie unserer Zeit.

Überschätzt in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen, wäre sie nicht die erste „revolutionäre“ Technologie in der Geschichte des Kapitalismus, die sich nach anfänglichem Hype und begleitenden Technikutopien am Ende relativ geräuschlos in den Produktionsprozess integriert und zu einer Modernisierung der materiellen Basis des Wirtschaftssystems beiträgt.

Unterschätzt in ihren gesellschaftlichen Auswirkungen abseits der Ökonomie im öffentlichen Raum, wo wir jetzt schon merken, wie sehr Realität und Wahrheit sich mit Fiktion und Fake News vermischen.

Deshalb sollten wir KI nüchtern und ohne Erlösungsversprechen auf der einen und Dämonisierung auf der anderen Seite betrachten. Denn so verlockend es klingt: Die Lösung gesellschaftlicher Probleme allein durch das Vertrauen auf technologische Innovation erreichen zu wollen, ist unterkomplex und naiv. Wenn wir einen Fachkräftemangel in der Pflege haben, dann sollten wir dafür sorgen, dass Pflegekräfte besser bezahlt werden, die Ökonomisierung des Gesundheitssystems stoppen und somit den Job attraktiver machen, anstatt zu versuchen, durch KI die Pflege immer weiter zu rationalisieren. Also weniger technikgetriebene Symptom- und mehr strukturelle Ursachenbekämpfung.

Diese allgemeinen Gedanken vorangestellt, möchte ich auf den Bericht der KI-Allianz und das Kofinanzierungsprogramm eingehen. An der KI-Allianz begrüßen wir insbesondere, dass kleine und mittelständische Unternehmen bei der Nutzung unterstützt werden. Oft fehlen hier die Ressourcen und das nötige Know-How um mit den großen Playern in der Region aber auch global mitzuziehen.   Zudem ist es sinnvoll die verantwortungsvolle Forschung in diesem Bereich zu fördern und Synergien zu schaffen. Das zeigt sich auch an den zu fördernden Projekten:

Besonders möchte ich das Projekt PhotonKI hervorheben, welches einen wichtigen Beitrag zur Verringerung des Energieverbrauchs und den damit verbundenen verschleierten CO²-Emmissionen bei der Nutzung von KI darstellt.

Ob man nun KI als Fluch oder Segen begreift, sie wird die technologische Entwicklung in den nächsten Jahren prägen. Deshalb ist es sinnvoll, in der Region, in Deutschland oder auch in der EU Forschung zu betreiben und Infrastruktur zu schaffen, um die Abhängigkeit von U.S.-amerikanischen Tech Konzernen und ihren- um es harmlos auszudrücken - durchaus zwielichtigen Eigentümern zu verringern. Gerade deshalb ist es so wichtig, hier vor Ort entsprechende Projekte und Infrastruktur zu fördern.

So ist der vor ein paar Tagen vorgestellte „KI-Aktionsplan“ der US-Regierung beispielsweise, ein Traum jedes Silicon-Valley-Investors und ein Albtraum für alle, die noch an demokratische Kontrolle in der Tech-Welt glauben. Was als Innovationsoffensive verkauft wird, offenbart ernsthafte Risiken und offene Fragen für Demokratie, Grundrechte und globale Technologiepolitik – gerade letztere hat auch enorme Auswirkungen auf die Wirtschaftsregion Stuttgart.  

Für uns als Region, für Deutschland und Europa bedeutet das eine doppelte Herausforderung: Während die USA Tempo machen und Standards durch ihre Exportpolitik faktisch diktieren, droht uns eine technologische Abhängigkeit – nicht nur von amerikanischer Infrastruktur, sondern auch von einem Normensystem, das Transparenz und Rechenschaftspflicht aktiv zurückdrängt. In diesem Wettbewerb wird Regulierung schnell zum Standortnachteil und neue Machtzentren entstehen nicht auf Basis demokratischer Kontrolle, sondern entlang der Interessen einiger weniger Digitalkonzerne.

Wie man es gerade nicht machen sollte, dass zeigt dieser Tage die Landesregierung und hier konkret das CDU-geführte Innenministerium. Mit der geplanten Einführung der Überwachungssoftware Palantir des Tech-Oligarchen und rechtsradikalen Ideologen Peter Thiel holt man sich das Sinnbild von Machtkonzentration, Intransparenz und Überwachung direkt ins Haus. Ein unverantwortlicher Alleingang des Innenministeriums, welcher im worst case auch zu einer millionenfachen Verschwendung an Steuergeldern führt, da die Rechtsgrundlage zur Nutzung aktuell noch nicht mal existiert. Aber mit dubiosen Geschäften Steuergelder in den Sand zu setzen, damit hat die CDU ja durchaus Erfahrung.

Innerhalb unserer Fraktion haben wir ganz grundsätzlich diskutiert wie wir mit der Förderung umgehen. Während wir auf der einen Seite die konkreten Projekte positiv bewerten, fragen wir uns auch, angesichts immer knapper werdender kommunaler Mittel, wo das Geld am Ende besser aufgehoben ist und ob wir in Zukunft unsere Prioritäten anders setzen sollten – uns würde da so einiges einfallen. Wir haben uns deshalb entschieden den jetzigen Projekten und damit dem Abschluss des Kofinanzierungsprogramms KI zuzustimmen und wollen gleichzeitig betonen, dass wir die Weiterentwicklung zu einem Programm „Zukunftstechnologien“ unter Einbezug von der offenbar als „zukunftsträchtig“ gelabelten Rüstungstechnik konsequent ablehnen. Und ich bin froh, dass hier zumindest eine Fraktion das so deutlich anspricht – von der selbsternannten Friedenspartei AfD hört man dazu ja interessanterweise nichts, was ihre Heuchelei bei diesem Thema nochmal sehr schön veranschaulicht.

Zum Abschluss wünsche ich noch eine erholsame Sommerpause und ein schönes Sommerfest im Anschluss dieser Sitzung, vielen Dank!