Führerschein gegen Seniorenticket im VVS

RV StuttgartFraktionAntrag

Antrag zu den Haushaltsberatungen 2018 vom 22.10.2017


Ergebnis:

Die Regionalversammlung beschloss am 6.12.2017: Der VVS wird gebeten, über den Ansatz im Aus­schuss zu berichten.


 

Antrag Haushalt 2018: Führerschein gegen Seniorenticket im VVS

Die Regionalversammlung fordert die Vertreter des Verbands Region Stuttgart im Aufsichtsrat des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart (VVS) auf, die Einführung einer regionsweiten Initiative für Senioren ab 65 Jahren zum freiwilligen Tausch ihres Führerschein gegen ein Seniorenticket für ein Jahr zur zeitlich unabhängigen Fahrt im gesamten VVS-Netz zu beantragen.

Bisher gemachte Erfahrungen in der Region Stuttgart und vor allem im aktuellen Pilotprojekt des Landkreises Ludwigsburg sollen in die Gestaltung der Initiative einfließen.


Begründung:

Für viele Senioren ist die Frage nach der Abgabe des Führerscheins im fortschreitenden Alter ein sensibles Thema. Die Fahrerlaubnis symbolisiert für viele Menschen Unabhängigkeit, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und persönliche Mobilität.

Andererseits nehmen kognitive Fähigkeiten und Reaktionsgeschwindigkeit im Gefahrenfall mit zunehmendem Alter ab, Sehprobleme und Medikamenteneinfluss oft zu. Zwar verursachen Senioren trotz eines Bevölkerungsanteils von 20% lediglich 14 Prozent aller Unfälle. Sind über 64-Jährige jedoch als PKW-Fahrer an einem Unfall beteiligt, trugen sie im Jahr 2016 in 67 Prozent der Fälle die Hauptschuld, bei den über 74-Jährigen sogar zu 75 Prozent. Selbst in der Hochrisiko-Altersgruppe der 18- bis 21-Jährigen waren „nur“ 71 Prozent aller Unfälle selbst verschuldet.

Die individuelle Thematik entzieht sich pauschalen gesetzlichen Regelungen, fährt doch die eine mit 80 Jahren noch deutlich besser als der andere mit 60. Eine freiwillige Option auf Führerscheinverzicht, gekoppelt an ein alternatives Mobilitätsangebot, lädt Senioren daher nicht nur dazu ein, sich mit dem Thema Fahrfähigkeit und Alternativen auseinanderzusetzen, sondern bietet auch konkrete Vorteile. Mobilität und gesellschaftliche Teilhabe bleiben erhalten, die oft vorhandene Schwelle zum Übergang in die ÖPNV-Nutzung wird gesenkt. Und viele Senioren, denen die Führerscheinrückgabe mit einem Seniorenticket versüßt wird, bleiben wahrscheinlich auch in den Folgejahren beim ÖPNV, wenn sie das momentan mit monatlich 45,50 EUR doch recht günstige Seniorenticket selbst finanzieren müssen.

Darüber hinaus sind Führerschein-gegen-Seniorenticket-Projekte der Region Stuttgart nicht fremd. Im Landkreis Ludwigsburg läuft aktuell ein zweijähriges Versuchsprojekt bis zum 31. Dezember 2017. Zwar liegen noch keine endgültigen Auswertungsdaten vor, doch ist interessant, dass bereits vor Projektbeginn 42 Anträge und über 100 Anfragen beim Landratsamt Ludwigsburg eingingen. Zwischen Oktober 2015 und Januar 2016 tauschten 410 Senioren, darunter besonders viele Frauen, ihren Führerschein gegen ein Seniorenticket ein. Rund 80 Prozent der Antragsteller waren über 75 Jahre alt, etwa 70 Prozent davon VVS-Neukunden.

Eine regionale Führerschein-gegen-Seniorenticket-Initiative sensibilisiert ältere Autofahrer, hilft Unfälle vermeiden und wirbt ganz allgemein für die stärkere Nutzung des ÖPNV. In Zeiten von Luftschadstoffen, Stau und drohenden Fahrverboten in der Region Stuttgart ist jeder Einzelne, der vom Individualverkehr auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigt, jeder PKW, der nicht mehr weiter betrieben wird, ein Gewinn für Mensch und Umwelt. Ein Gewinn auch für das im ÖPNV-Pakt zwischen Land, Region, Landkreisen und Stadt Stuttgart festgeschriebene Ziel der Erhöhung der ÖPNV-Nutzung um 20 Prozent bis 2025.

Darüber hinaus geht die demographische Entwicklung auch an der Region Stuttgart nicht vorbei. Bundesweit steigt die Anzahl der Bürger über 60 seit Jahren kontinuierlich, von 14,6 Prozent (1950) auf 27,1 Prozent (2013) auf voraussichtlich 37,6 Prozent im Jahre 2050. Mehr ältere ÖPNV-Nutzer bedeuten mehr Nachfrage, und die notwendigen Impulse zum Ausbau eines seniorengerechten öffentlichen Nahverkehrs, auch im ländlichen Raum und außerhalb des Schienennetzes von Stadt-, Regional- und S-Bahnen, müssen jetzt gesetzt werden. Nur so kann der ÖPNV eine echte Alternative zum motorisierten Individualverkehr werden, der auch die Senioren von heute und morgen mitnimmt.