Rede: LINKE lehnt Regionalverbandshaushalt für 2014 ab
Rede von Christoph Ozasek in der Regionalversammlung Stuttgart am 4.12.2013 zur Verabschiedung der Haushaltssatzung für das Jahr 2014 (TOP 2: Haushaltsplan und Haushaltssatzung 2014, mittelfristige Finanzplanung).
Herr Vorsitzender,
werte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Gäste,
vor wenigen Tagen scheiterten in Warschau - trotz der verheerenden Eindrücke um die Opfer eines schweren Taifuns auf den Philippinen - erneut die Bemühungen um ein internationales Klimaschutzabkommen. Die Delegierten sind - wieder einmal - dem Druck der mächtigen Kohle- und Öl-Lobby gewichen. Japan erklärte sogar, die nationalen Klimaschutzziele gänzlich aufzukündigen.
Wenige Tage später präsentierten Union und SPD ihren zukünftigen Koalitionsvertrag. Sie erklären darin:
„Die konventionellen Kraftwerke (Braunkohle, Steinkohle, Gas) als Teil des nationalen Energiemixes sind auf absehbare Zeit unverzichtbar.“
Sie sehen, werte Kolleginnen und Kollegen, um unser Klima ist es schlecht bestellt, die nationale Energiewende - und möglicherweise auch die regionale! - unter diesen Vorzeichen erneut in Frage gestellt.
Klimaschutzpolitik muss deshalb zwingend von unten beginnen - in den Gemeinden, Städten und Regionen. Dort, wo die Menschen leben und echte Chancen zur Mitgestaltung politischer Prozesse haben. Wo die globalen Zusammenhänge zwischen Wachstumswahn und Klimazerstörung begreifbar gemacht werden können. Denn hier vor Ort ist der Klimawandel genauso real wie auf den Philippinen: Schwere Hagelstürme mit Milliarden-Schäden, oder die Zunahme von Hitzestress. Die Städte Nürtingen und Tübingen bekommen die Hochwassergefahr gerade als beschränkenden Faktor bei der Stadtentwicklung zu spüren.
Deshalb gilt: Global denken - regional handeln. Raumplanung, Infrastruktur und prinzipiell jede Entscheidungsfindung unter die Prämisse des Klimaschutzes zu stellen, diese Forderung haben wir in diesen Haushaltsberatungen ins Zentrum gerückt.
Exemplarisch könnte dieser innovative Gedanke über die Fortschreibung des Regionalverkehrsplans Umsetzung finden. Doch, wie zu erwarten war, sperrt sich eine Mehrheit gegen diese sicherlich schmerzhafte, aber notwendige Kurskorrektur.
Mittels strategischer Umweltprüfung und einer lokalen Klimaverträglichkeitsprüfung werde man dieser Forderung ja bereits gerecht, erklärte die Verwaltung in den Beratungen.
Mit dieser Ansage prophezeie ich Ihnen aber schon heute: Sie werden als Tiger springen, und als Bettvorleger in der Konzernzentrale vom Daimler landen.
Es gilt: Bleibt der Klimaschutz allgemeinverbindlich - siehe Klimaatlas oder das neue Klimaschutzgesetz - wird allseits applaudiert. Wird es jedoch konkret, dann geht die klassische Industriepolitik vor. Die Bedarfsanmeldungen zum Bundesverkehrswegeplan, die Verkehrsprojektion für 2025, der Neubau riesiger Parkierungsanlagen, das alles zeigt, dass der Kurs falsch gesetzt ist.
Unserer Forderung nach einem regionalen VVS-Sozialticket ist in diesem Jahr erstmals die SPD beigetreten. Ein kleiner Lichtschimmer für uns LINKE, nach vier Jahren unbequemem Werben für ein Thema, das für hunderttausende Menschen in der Region von zentraler Bedeutung ist.
Menschen, die arm sind, oder in prekärer Arbeit, im Schatten der Wohlstandsgesellschaft. Soziale Teilhabe am öffentlichen Leben ist ein Grundrecht und dieses sicherzustellen Auftrag und Verpflichtung unseres Grundgesetzes.
Während Länder wie Brandenburg oder Nordrhein-Westfalen hier mutig voranschreiten, bleibt Baden-Württemberg, bleibt die Region Stuttgart, bislang tatenlos. Nun kommt Bewegung ins Thema, auch durch die wachsende Bereitschaft von VVS und SSB, sich ernsthaft mit dem Sozialticket zu befassen.
Zu den Haushaltsberatungen 2009 haben wir LINKEN erstmals die intermodale Verkehrsträgervernetzung in die Debatte gebracht. Unser erster Antrag, der mehrheitlich Zustimmung fand. Seither ist viel passiert. Andere Fraktionen sind nachgezogen. Das Projekt „Nachhaltige Mobilitätsregion“ ist heute nicht mehr wegzudenken. Die „Mobilitätskarte“ auf den Weg gebracht.
Schade, dass die Verwaltung bei der Sicherung von Flächen an möglichen intermodalen Verkehrsknotenpunkten im Netz auf Stur geschalten hat. Vielleicht nimmt sich im kommenden Jahr die CDU-Fraktion diesem Thema an, dann setzen sich gute Ideen der LINKEN wieder einmal zeitverzögert durch, wie wir es beispielsweise beim regionalen Energiekonzept sehen.
Als unauflöslicher Widerspruch zu unseren verkehrspolitischen Grundüberzeugungen bleibt das Immobilienprojekt Stuttgart 21. 12,5 Mio. Euro fließen auch im kommenden Jahr wieder in den Bahnhofs-Rückbau. Millionen für investorengetriebene Stadtzerstörung, bahntechnischen Leistungsverlust, Planungschaos, ungeklärte milliardenschwere Kostenrisiken und massive Störungen des sensiblen S-Bahn-Systems.
Am Montag fanden sich wieder tausende Menschen vor dem Bonatzbau ein, zur 200. Montagsdemonstration. Diesem demonstrativen Signal bürgerschaftlicher Widerständigkeit schließen wir uns weiterhin an.
Eine Zustimmung zu Stuttgart 21 ist für uns LINKE ausgeschlossen, deshalb lehnen wir den Haushalt ab.