Rede: Klimaschutz, Sozialticket, Projektausstieg S21: LINKE setzt Schwerpunkte für die Haushaltsberatung
Rede von Christoph Ozasek in der Regionalversammlung Stuttgart am 23.10.2013 zu TOP 1: Aussprache sowie Anträge der Fraktionen und Gruppen zum Entwurf der Haushaltssatzung für das Jahr 2014 mit Haushaltsplan und mittelfristiger Finanzplanung.
Für die Region Stuttgart, als industrielle Herzkammer, zeigen die Zahlen zum Energie- und Flächenverbrauch und zur Projektion der Verkehrsströme: Wir kommen nicht voran, wir stecken in einem nicht zukunftsfähigen Entwicklungspfad fest. Eine nachhaltige Entwicklung findet nicht statt.
Herr Vorsitzender,
werte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
Der UN-Weltklimarat hat in seinem fünften Sachstandsbericht das kollektive Wissen um Ursachen und Folgen der globalen Erwärmung für Umwelt und Gesellschaft zusammengetragen. Eine düstere Zukunftsprognose für die politischen Entscheidungsträger. Bis zu 4,5°C könnte die Durchschnittstemperatur bis zum Ende des Jahrhunderts ansteigen, falls nicht konsequent umgesteuert wird. Die Folgen sind schon heute real: Klimaflüchtlinge, der Verlust von Ernährungssouveränität, Kriege um lebenswichtige Ressourcen wie Wasser und Land. Die Folgen des Klimawandels sind global.
Vor diesem Hintergrund beunruhigt, dass in Deutschland Treibhausgasemissionen wieder ansteigen. Weder im Energie-, noch im Verkehrssektor sind echte Fortschritte erkennbar. Konzerne bestellen sich im Kanzleramt die passgenaue Politik. Dafür gibt es Parteispenden als Belohnung. Soziale und ökologische Folgeschäden werden nicht bepreist, und damit ignoriert. Finanzmacht wird hier zur politischen Durchsetzungsmacht. Das ist die ernüchtende Realität. Seit der Finanzmarktkrise 2008 hat sich nichts an diesen Funktionsprinzipien verändert.
Für die Region Stuttgart, als industrielle Herzkammer, zeigen die Zahlen zum Energie- und Flächenverbrauch und zur Projektion der Verkehrsströme: Wir kommen nicht voran, wir stecken in einem nicht zukunftsfähigen Entwicklungspfad fest. Eine nachhaltige Entwicklung findet nicht statt. Da kann man in den Ausschüssen und in der Regionalversammlung noch so oft unsere Anträge mit Mehrheit vom Tisch wischen oder für erledigt erklären. Nachhaltig wird man nicht mit weißer Salbe oder schönen Sonntagsreden.
Der Klimawandel ist menschgemachte Folge des Fortschritts. Ein Fortschritt der sich auf der Ideologie des ewigen Wachstums begründet. Exponentielles Wachstum in einem endlichen System ist jedoch unmöglich. Schon heute überschreiten die stofflichen Bedürfnisse Deutschlands die Regenerationsfähigkeit der Landesfläche um den Faktor 2,6. Die ökologischen Schulden der kommenden Generationen sind immens. Die sozialen Verwerfungen heute, bedrohlich real.
Die Region muss angesichts des Versagens der Staatengemeinschaft eigenständig die Weichen stellen. Diese Forderung von uns ist nicht neu, aber wir erneuern sie. Mit dem jüngst verabschiedeten Klimaschutzgesetz hat die Landesregierung der Region ein Instrument in die Hand gegeben. Nutzen wir es. Wir fordern als erste konkrete Maßnahme einen Klimaschutz-Check für die Fortschreibung des Regionalverkehrsplans.
Infrastrukturplanung, die den Klimawandel weiter befeuert, soll aus der Fortschreibung gestrichen werden. Und wir wollen, dass zukünftig grundsätzlich zu jedem Beschlussvorschlag der Verwaltung eine ehrliche Klimabilanz gezogen wird.
Der Globalisierung, die sich sinnbildlich im „global Village“ ausdrückt, muss auch globale Verantwortung und faire Lastenverteilung folgen. Um seine Nachbarn und Mitmenschen kümmert man sich solidarisch. Das bedeutet Humanität. Denn alle Menschen haben das Recht auf ein gutes Leben in Sicherheit und ohne Angst. Im globalen Süden, wie hier.
Gutes Leben heißt aber zwingend, Teilhaben zu können; soziale, kulturelle, wirtschaftliche Bedürfnisse zu befriedigen. In der wohlhabenden Region Stuttgart leben viele Menschen in Armut oder sind durch diese gefährdet. Allein in Stuttgart 15 % der Bevölkerung, so das statistische Landesamt. Wir als Regionalversammlung haben nicht überall die Möglichkeit, deren Lebensumstände zu verbessern. Aber in einem Fall können wir es ganz konkret:
DIE LINKE erneuert ihre Forderung nach einem Sozialticket. Die Fakten untermauern diese Forderung. Und sie wird zumindest nicht mehr überhört. Wir bedanken uns an dieser Stelle ausdrücklich bei der Geschäftsführung der SSB und bei Herrn Stammler vom VVS, dass dieses Thema bei Ihnen ernst genommen wird, auch wenn bislang die politischen Mehrheiten fehlen.
Eine Marktanalyse zum Sozialticket für Stuttgart ist seitens der SSB in Aussicht gestellt. Und der VVS wird vorraussichtlich im Februar eine Tagung zum Thema veranstalten.
Ich bitte sie, werte Kolleginnen und Kollegen, hier die ideologischen Scheuklappen abzulegen und für die Menschen in der Region eine gute Lösung zu finden, dass die Teilhabe an Mobilität möglichgemacht wird.
Finanzmacht wird zur politischen Durchsetzungsmacht. Dieser Umstand bildet sich auch ab, wenn Immobilienkonzerne, die Bauwirtschaft, die Finanzbranche milliardenschwere Projekte fordern, mit bunten Broschüren und hübschen Animationen die mehrheitliche Unterstützung der politischen Gremien organisieren, und letztendlich abkassieren. Ob ein schlecht geplantes Projekt dann überhaupt jemals in Betrieb geht ist dann völlig egal, siehe Elbphilharmonie und der Flughafen BER.
Das Projekt Stuttgart 21 ist für uns nicht erledigt. Das Projekt wird zum schwarzen Loch für Steuergelder. Steuergeld das in die Taschen von Konzernen wandert. Steuergeld, das in Daseinsvorsorge und in die Bildung fließen sollte.
Die massiven Planungsfehler und die längst ermittelte Leistungslüge des Tunnelbahnhofs zeigen: Ein „Weiter so!“ ist nicht verantwortbar. Niemand kann sich hinter der Volksabstimmung wegducken. Die Täuschung ist entblößt.
Und auch die S-Bahn, das Mobilitätsrückgrat der Region, nimmt fortlaufend Schaden. Schaden, der unmittelbar mit dem Bahnhofsrückbau zusammenhängt. Und bislang gibt es von der DB nur Gelöbnisse zur Besserung. Darauf geben wir nicht viel. Eine „Heilung“ der S-Bahn beginnt mit dem Ausstieg aus Stuttgart 21 und dem Ende der Börsenbahn-Agenda. Diese Forderungen halten wir demonstrativ und entschlossen aufrecht.