Antrag: Prüfung einer VVS-weiten Sozialkomponente für das verteuerte Deutschlandticket

Antrag zum Haushalt 2025 im Bereich Verkehr, eingebracht am 19.10.2024.


Ergebnis:

Abgelehnt im Verkehrsausschuss am 20.11.2024.



Die Fraktion Linke.Piraten.SÖS beantragt:

Die Regionalversammlung beauftragt die Verbandsverwaltung, die notwendigen Schritte zu ergreifen, um im Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) eine umfassende und ergebnisoffene Prüfung der Einführung eines VVS-weiten Sozialtickets durch einen verbilligten Bezug des Deutschlandtickets zu veranlassen.

Dabei soll detailliert aufgeschlüsselt und beziffert werden, welche Kosten bei der Einführung eines um 50 % vergünstigten Deutschlandtickets für Bezugsberechtigte (also Empfängerinnen und Empfänger von Transferleistungen nach SGB, WoGG sowie AsylbLG) entstehen würden. Dies würde eine transparente Darstellung bieten, welche finanziellen Belastungen je nach Zuschussoption auf die Region zukommen könnten.
In die Prüfung sollen folgende Aspekte mit einfließen:

1. Das Prinzip einer stichtagsorientierten Abmangelfinanzierung zur Vermeidung ausufernder Kosten, bei dem den Verkehrsunternehmen diejenigen Verluste ersetzt werden, die durch einen Wechsel aus dem „normalen“ Deutschlandticket zum reduzierten Deutschlandticket entstehen.

2. Bisherige Erfahrungen mit bestehenden Bonuscard-, Sozialticket- und rabattierten Deutschlandticket-Modellen innerhalb der Region sowie in anderen Kommunen, Kreisen und Bundesländern.

3. Potenziale zur Generation eventueller Mehreinnahmen durch die Gewinnung von Neukunden.

4. Die Ergebnisse der am 31.01.2023 von der Region im VVS-Tarifausschuss bei den Verbundlandkreisen angefragten Prüfung zur Umsetzung eines verbundweit einheitlichen Sozialtickets, nochmals ergänzt in der Regionalversammlung am 20.12.2023.

Die Ergebnisse werden dem Verkehrsausschuss vorgestellt und dienen als Basis für die weitere Konzepterstellung, damit eine Datengrundlage für weiterführende Schritte und Verhandlungen geschaffen wird. Die für die Untersuchung gegebenenfalls notwendigen anteiligen Mittel werden von der Verwaltung beziffert und im Haushalt 2025 eingestellt.


Begründung:

Durch die Einführung des Deutschlandtickets in Höhe von 49 € pro Monat zum 01.05.2023 hat sich der Preis des ÖPNV für viele Menschen reduziert. Ab 01.01.2025 soll der Ticketpreis jedoch auf 58 € pro Monat erhöht werden. Schon bei Einführung des Deutschlandtickets gab es auch in der Region Stuttgart eine große Gruppe von Menschen mit geringen Einkommen, für die das Deutschlandticket selbst für 49 € im Monat unerschwinglich war. Diese Gruppe vergrößert sich nun durch die Preiserhöhung noch weiter.

Betroffen sind einmal Menschen, die ihren Lebensunterhalt ganz oder teilweise durch staatliche Transferleistungen bestreiten müssen. Für diese Menschen übersteigt der Preis des Deutschlandtickets jetzt wieder deutlich den Anteil des für den ÖPNV bereitgestellten Betrags in den Regelsatzberechnungen. Ebenfalls betroffen sind geringverdienende Menschen, die zwar keine Transferleistungen nach SGB bekommen, aber aufgrund ihres niedrigen Einkommens zum Erhalt von Leistungen nach dem WoGG berechtigt sind.

All diese Menschen sind daher auf deutlich teurere Ticketangebote wie Einzel- oder Mehrfahrtenkarten angewiesen – Fahrkarten, die erst zum 01.08.2024 massiv um 7,9 % erhöht wurden. Die Kluft zwischen Menschen mit verhältnismäßig anständigen Einkommen, die vom Deutschlandticket profitieren können, und Menschen, die es sich aufgrund niedrigster Einkommen nicht leisten können und die stattdessen den VVS-Preiserhöhungen ausgeliefert sind, vertieft sich so immer weiter.

Die Betroffenen sind dadurch nicht nur in der Teilhabe am sozialen, kulturellen und politischen Leben eingeschränkt, sondern gehören auch zur Gruppe mit der geringsten ÖPNV-Nutzung. Mit einem reduzierten Deutschlandticket böte sich auch dem VVS die Chance, diese Menschen in nennenswerter Zahl dauerhaft als Abo-Neukunden zu gewinnen. Wie viele Untersuchungen zeigen, bleiben die meisten der so gewonnenen Neukunden dem ÖPNV auch dann treu, wenn sie nicht mehr auf Unterstützung angewiesen sind. Das von unserer Fraktion zur Prüfung vorgeschlagene Finanzierungsmodell sorgt außerdem für eine wirksame Kostenbegrenzung.

Sozialpolitisch motivierte Erwägungen bei der Preisgestaltung sind dem VVS-Tarifsystem darüber hinaus keineswegs fremd, wie die vielfältigen bestehenden rabattierten Angebote für Senioren, Studierende, Auszubildende oder Schüler zeigen.

Die grundlegende Prüfung einer ergänzenden VVS-weiten Sozialkomponente ist angesichts der prinzipiell sehr begrüßenswerten Einführung des Deutschlandtickets überfällig, um zu verhindern, dass dieser mutige Schritt hin zur Mobilitäts- und Klimawende durch kurzsichtige Verteuerungen auf Kosten der einkommensärmsten Mitbürgerinnen und Mitbürger in der Region wieder zunichtegemacht wird.