Antrag: Neckaroffensive jetzt – Mehr Fluss wagen!
Antrag der Regionalfraktion DIE LINKE/PIRAT zu den Haushaltsberatungen 2024, eingebracht am 22.10.2023.
Ergebnis:
Abgelehnt im Planungsausschuss am 15.11.2023.
Die Fraktion DIE LINKE/PIRAT beantragt:
- Ausgehend vom Abschlussbericht zum Neckar-Forschungsprojekt "Adressen am Fluss" richtet der Verband Region Stuttgart eine niederschwellige Förderlinie für "Neckarpioniere" in Höhe von 500.000 Euro pro Jahr für Einzelprojekte am Neckar bis 100.000 Euro ab 2024 ein. Die Verbandsverwaltung unterbreitet einen Umsetzungsvorschlag für die neue Förderlinie.
- Die Geschäftsstelle hinterlegt im Stellenplan eine neue Stelle in EG 13, Landschaftsplaner*in für Projekte am Neckar, mit dem Ziel, Neckarpioniere und Kommunen bei der Entwicklung von Landschaftsparkprojekten und „Adressen am Fluss“ entlang des Neckars fachplanerisch zu unterstützen, sowie die neue Förderlinie zu betreuen.
- Die Verbandsverwaltung entwickelt mit dem Land Baden-Württemberg, den Land- und Stadtkreisen sowie den Anrainerkommunen eine "Rivermap Neckaroffensive 2035“, mit dem Zielhorizont, bis zum Jahr 2035 eine unbedenkliche Badegewässerqualität entlang des Neckars herzustellen. Als Zwischenziel soll ein tagesaktuelles Monitoring mit einem Ampelsystem verfolgt werden, um das gefahrlose Baden im Neckar in Abschnitten mit geringer Belastung aufzuzeigen.
- Die finanziellen Mehrbedarfe werden im Haushaltsplan hinterlegt. Etwaige Förderhorizonte seitens des Landes, des Bundes und der EU sind fortlaufend zu prüfen.
Begründung:
Im Abschlussbericht "Flussregion werden – Mehr Lebensqualität am Wasser in der Region Stuttgart" zum Projekt "Adressen am Fluss" findet sich eine zentrale Antwort auf die Frage, wie der Neckar als Natur- und Lebensraum attraktiver gestaltet werden kann: Wünschenswert wäre eine Förderlinie für Neckarpioniere, für agile Initiativprojekte unter dem Motto „Kleinere Projekte, schnellere Umsetzungen"[i]. Ziel der geförderten Projekte ist die Rückaneignung des industriell überformten Flusslaufs als Bundeswasserstraße, und damit ein Transformationspfad zur multifunktionalen Inwertsetzung des Neckars. Dies gilt es auch im Hinblick auf eine stärkere Resilienz gegenüber klimawandelbedingten Multigefahren zu forcieren, wie Hochwasser und Starkregen. Entstehen soll eine multicodierte Flusslandschaft mit Mehrwert für Mensch, Tier und Natur. Darüber hinaus könnten diese Pilotprojekte als Initialzündungen für größerflächige Landschaftsreparaturen dienen, im Sinne eines regionalen Kompensationsflächenmanagements.
Mit der von uns vorgeschlagenen Fachplanerstelle beim Verband Region Stuttgart hätten wir die Möglichkeit, betroffene Kommunen – die häufig finanziell nicht in der Lage sind, eigene fachplanerische Kompetenzen vorzuhalten – und engagierte Pioniere bei der Projektierung zu unterstützen. Insgesamt könnte sich so die Zahl der Anträge für das Landschaftspark-Förderprogramm erhöhen, womit der Wettbewerbsansatz im Hinblick auf die Konkurrenz qualitativ hochwertiger Einzelanträge gestärkt werden würde.
Die von uns vorgeschlagene Neckaroffensive 2035 soll jedoch über die gestalterische Aufwertung der Rand- und Uferzonen des Flusses hinausweisen, mit dem Ziel, die Wasserqualität sukzessive zu verbessern, um bis 2035 das gefahrlose Baden im Neckar im Sinne der Parameter der Badegewässerverordnung zu ermöglichen. Trotz der Aufwertung des Neckarufers mit weiteren Projekten in der Umsetzung und Planung[ii] wurden bisher keine Badestellen in Betracht gezogen. In Stuttgart selbst besteht seit den 1950er Jahren ein polizeirechtliches Badeverbot im Neckar aufgrund von Schadstoffeinleitung, Schiffsverkehr und gefährlichen Unterströmungen. Wird die Wasserqualität auf Badewässer-Niveau angehoben, könnten zumindest gesicherte Badestellen ausgewiesen werden. Laut Analysen des Landesgesundheitsamts hat sich die hohe Kontamination des Neckars bisher nicht verringert, was zeigt, dass ein „Weiter so“ nicht zielführend ist. Stattdessen ist eine mit Maßnahmen unterlegte Gesamtstrategie erforderlich.
Ein im Rahmen der Neckaroffensive zu entwerfender Fahrplan für die Siedlungsentwässerung muss beispielsweise zusätzliche Klärstufen zur Elimination von Spurenstoffen und Mikroorganismen vorsehen, sowie technisch auf die Einhaltung der mikrobiologischen Anforderungen an Badegewässer ausgerichtet sein. Außerdem muss der Eintrag kritischer Stoffe aus der Landwirtschaft verringert und die weiteren „Schmutzfrachten“ aus Abwässern und Abschwemmungen durch Begleitmaßnahmen vermindert werden.
Die Vorschläge und Vorgaben für das Projekt Neckaroffensive 2035 sollten daher in das politische Zielbild des VRS integriert, durch ein kontinuierliches Monitoring unterstützt und mit Handlungsempfehlungen unterlegt werden. Die Kosten für eine Landschaftsplanungsstelle wären überschaubar und könnten sich durch Koordinierungs- und EU-Fördermittel weiter verringern.
Unsere Fraktion erwartet keine sofortige Rückkehr zu der landschaftlichen Schönheit des Neckars, die Goethe im 18. oder Mark Twain im 19. Jahrhundert bewunderten[iii], doch die Gestaltung eines attraktiven Lebens- und Aufenthaltsraums für Mensch und Natur wäre machbar.
[i] Siehe https://www.iba27.de/wp-content/uploads/Flussregion-werden.pdf, S. 14
[ii] Siehe unter anderem "Erlebnisraum Neckar: Ein Masterplan für Stuttgart als Stadt am Fluss", 2017, (https://www.stuttgart-meine-stadt.de/file/5b9f9acfd10d432e3d447702)
[iii] Siehe Johann Wolfgang von Goethe, Aus einer Reise in die Schweiz über Frankfurt, Heidelberg, Stuttgart und Tübingen im Jahre 1797, und Mark Twain, Ein Bummel durch Europa (1880).