Antrag: Berichterstattung zum Flächenverbrauch in der Region Stuttgart

PlanungsausschussFraktionChristoph OzasekPeter RauscherInitiativenAntrag

Antrag zur Behandlung im Planungsausschuss des Verbands Region Stuttgart, eingebracht am 19.6.2020.


Ergebnis:

Angenommen im Planungsausschuss am 30.9.2021. Experte des Statistischen Landesamts wird geladen, Berichterstattung zugesichert.



Die Fraktion DIE LINKE/PIRAT beantragt:

  1. Der Verband Region Stuttgart lädt die verantwortlichen Experten des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg ein, ihre neuen kommunenspezifischen Entwicklungstools zur Darstellung des Flächenverbrauchs mit Blick auf die spezifischen Entwicklungstendenzen in der Region Stuttgart im Planungsausschuss vorzustellen.
  2. Die Verwaltung unterbreitet dem Planungsausschuss einen Vorschlag, wie bei künftigen Stellungnahmen zur kommunalen Bauleitplanung über die Ziele und Grundsätze des Regionalplans hinaus Hinweise und Empfehlungen auf Basis dieser Daten ausgesprochen werden können, um eine nachhaltigere Landnutzung herbeizuführen.


Begründung:

Nach einem aktuellen Bericht der Stuttgarter Nachrichten werden in Baden-Württemberg pro Tag 4,5 Hektar Land verbaut oder versiegelt. Gemäß den Vorgaben der Politik zu Höchstgrenzen sollten es maximal 3 Hektar sein.

Negative Auswirkungen von versiegelten Flächen sind etwa ein erhöhtes Hochwasser- und Überschwemmungsrisiko, die Verschlechterung des Bioklimas, die Zerstörung der Bodenfauna und eine geringere Fruchtbarkeit der Böden selbst nach Rückbau der Infrastruktur.

Herangezogen zur Berechnung werden Daten des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg, anhand derer, herunter gebrochen auf die Ebene der Kommunen, über acht Kriterien geprüft werden kann, wie eine Gemeinde im Vergleich zum Landesdurchschnitt beim Flächenverbrauch abschneidet. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Kommunen sind dabei enorm. Aus den Vergleichsdaten läßt sich zum Beispiel erkennen, wie restriktiv oder großzügig Kommunen zwischen 2008 und 2018 mit der Ausweisung neuer Flächen umgegangen sind. Hier allerdings ist die Kenntnis der lokalen Gegebenheiten zur Interpretation des Datenmaterials von entscheidender Bedeutung.

Bei der Auswertung der Daten zeigte sich unter anderem, dass größere Städte bei der Flächenausweisung sparsamer vorgehen, während in ländlichen Kommunen nach wie vor Baugebiete mit teils sehr hoher Wohnfläche pro Kopf ausgewiesen werden, was Remanenzeffekte nach sich zieht. Der Hauptzuwachs an Siedlungs- und Verkehrsfläche zwischen 1996 und 2018 liegt nur zu 25% in den Ballungsräumen, obwohl dort die Hälfte der Bevölkerung wohnt. Vor allem ländliche Gemeinden müssen also deutlich mehr tun, um ihren Flächenverbrauch einzudämmen. Das neue Tool des Statistischen Landesamtes könnte hier als Orientierungshilfe dienen.

Insbesondere zwischen 2017 und 2019 führte der neue §13b des Baugesetzbuches, nach dem Baugebiete ohne Umweltverträglichkeitsprüfung oder Kompensation an anderer Stelle ausgewiesen werden konnten, dazu, dass sich der vorherige, relativ positive Flächenverbrauchstrend ab Herbst 2016 deutlich negativ entwickelte was die Bruttowohndichte je Hektar Bauland anbelangt.

Der §13b Bau GB wurde von Mai 2017 bis Dezember 2020 fast 6-mal so häufig angewandt wie das reguläre Bebauungsverfahren. Ausdruck einer gravierenden Fehlsteuerung zeigt der Umstand, dass bei regulärer Planung im Durchschnitt 40 Wohneinheiten pro Hektar entstehen, und in Baugebieten des §13b BauGB lediglich 32 Wohneinheiten pro Hektar. Wir sehen uns in unserer Kritik bestätigt, dass der §13b BauGB den Flächenverbrauch anheizt und dysfunktionale Siedlungsstrukturen hervorbringt, die sowohl den Zielen des Klima-, Umwelt und Naturschutzes, als auch der Landschaftspflege widersprechen.

Anstatt die Wohnungsnot für Menschen mit geringen Einkommen durch höhere bauliche Dichte und einen guten Mix an Wohnungstypen wirksam anzugehen, wurden großflächig Baugebiete für privilegierte Bevölkerungsgruppen ausgewiesen – ökologisch hochproblematische Einfamilienhäuser am Ortsrand, die schon nach relativ wenigen Jahren den Bedürfnissen der Bauherr*innen nicht mehr entsprechen und den Remanenzeffekt nach sich ziehen. Und die darüber hinaus vor allem die Verkehrsprobleme der Region verschärfen, denn diese Siedlungsstrukturen funktionieren üblicherweise nur durch eine hohe Kfz-Quote.

Für den Planungsausschuss wäre ein ganzheitlicher Überblick über die aktuelle statistische Entwicklung von großem Interesse, der auch die Auswirkungen neuer gesetzlicher Instrumente wie des §13b des Baugesetzbuches mit einschließt. Ebenfalls sehr wichtig erscheint uns eine detaillierte Analyse der Möglichkeiten der neuen Datensammlung, um sowohl das Potential zur Verringerung von Bodenzerstörung als auch die möglichen Probleme und Grenzen beim Interpretationsspielraum einschätzen zu können, um Stellungnahmen zu Vorhaben der Bauleitplanung zu formulieren. In einer ausführlichen Darstellung durch die Experten des Statistischen Landesamts sehen wir einen vielversprechenden Wissensgewinn, ohne großen organisatorischen Aufwand für die Verbandsgeschäftsstelle.