Rede zum Haushaltsplanentwurf 2012

Herr Vorsitzender, werte Kolleginnen und Kollegen, der Haushaltsplanentwurf 2011 nimmt an Volumen deutlich zu. Er ist mit über 305 Millionen Euro veranschlagt. Schwerpunktvorhaben sind die von uns sehr begrüßten Ausbauvorhaben und Verbesserungen bei der S-Bahn und der Verbundstufe 2.

Herr Vorsitzender, werte Kolleginnen und Kollegen,

der Haushaltsplanentwurf 2011 nimmt an Volumen deutlich zu. Er ist mit über 305 Millionen Euro veranschlagt. Schwerpunktvorhaben sind die von uns sehr begrüßten Ausbauvorhaben und Verbesserungen bei der S-Bahn und der Verbundstufe 2.

Die deutliche Erhöhung des Haushaltsvolumens geht jedoch zu über der Hälfte auf neue Kredite zurück. 17,8 Millionen Euro sind aufzunehmen. Da verwundert es nicht, dass der jährliche Schuldendienst einschließlich Vorfinanzierungen mit 16,7 Millionen Euro veranschlagt ist. Zudem erfolgt der Griff in die Rücklagen.

Die offensichtliche Schieflage des Haushalts, bedingt auch durch Vorfinanzierungen und teure Fremdmaßnahmen wird in diesen Relationen sichtbar. Man kann aber nicht jahrelang auf die schwierige Wirtschaftslage verweisen, um die Schuldenfinanzierung zu rechtfertigen. Die Banken- und Eurokrise ist eine Systemkrise. Sie kann in kürzester Zeit schwerste Eruptionen hervorrufen, die rasch auf die Realwirtschaft niederschlagen und damit auf nicht absehbare Zeit die kommunalen Haushalte überschatten. Gerade für eine exportabhängige Region wie Stuttgart sind diese Finanzmarkt-Instabilitäten eine besondere und dauerhafte Gefahr.

Es stellt sich daher auch die Frage nach der Reform der Finanzierungsgrundlagen der Region zur Sicherstellung ihrer Aufgaben. DIE LINKE ist hierbei offen für eine anteilige Finanzierung regionaler Aufgaben aus Gemeinschaftssteuern oder die Option eines eigenen Steuererhebungs- und Steuerfindungsrechts.

Auf der Einnahmeseite des Haushaltsentwurfs machen die Fahrgelder einen drastischen Sprung nach oben. Setzt man diese Größe in Bezug zu der sehr geringen Verkehrsumlage seit 2011, dann wird deutlich: Die öffentlichen Haushalte ziehen sich weiter aus der Finanzierung des ÖPNV zurück und verlagern die Lasten auf die Nutzerinnen und Nutzer. Die Verkehrsumlage ohne Stuttgart 21 liegt heute unter dem Wert von 2005, während die Ticketpreise für die Kunden des VVS Jahr um Jahr im Schnitt um drei Prozent zulegen.
Für eine gesellschaftliche Gruppe wirkt diese Entwicklung weiterhin in besonders gravierender Weise:

Die Zahl der von Armut betroffenen Menschen verbleibt auf hohem Niveau. Immer weniger Menschen in prekären Lebenslagen gelingt es, ihrer soziale Notlage zu entkommen. Und vielfach wirkt diese Armut und Exklusion über Generationen hinweg, so der aktuelle Datenreport 2011 des Statistischen Bundesamtes. Wir können die Folgen der VVS-Preispolitik an den Mobilitätsdaten ablesen. Bei keiner anderen Gruppe ist der Anteil des ÖPNV mit unter 5 % so dramatisch gering. Die Notwendigkeit einer speziellen Ticketart für einen begrenzten Nutzerkreis wird damit augenscheinlicher denn je. Mobilität durch ein Sozialticket zu gewähren ist kein Almosen, sondern das Bekenntnis zur sozialen Verantwortung der Region für die Schwächsten in der Gesellschaft. Deshalb fordere ich Sie auf, in den anstehenden Beratungen unserem Antrag zur Konzeptentwicklung eines Sozialtickets ihre Stimme zu geben.

Zum Projekt Stuttgart 21

Für DIE LINKE steht fest: Die Finanzierungsverträge für Stuttgart 21 vom April 2009 verstoßen gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Mischfinanzierung nach Art. 104a Abs. 1 GG.
Dieses Verbot wurde 1969 im Grundgesetz verankert um mehr Gerechtigkeit in der Verteilung der Infrastrukturmittel sicherzustellen. Diese Entscheidung war ein Bekenntnis zum Konnexitäts-Gedanken. Den Ländern, und damit auch den Kommunen und somit dem Verband Region Stuttgart, wurde damit die Möglichkeit genommen, sich durch Kofinanzierung Gelder für Bundesaufgaben wie Schieneninfrastruktur sichern zu können und damit die eigentliche Priorisierung zu verzerren.

Der Finanzierungsvertrag von Stuttgart 21 verstößt folglich gegen ein verfassungsrechtliches Mitfinanzierungs-Verbot. Die Rechtsordnung schreibt in einem solchen Fall die Nichtigkeit des Vertrags vor.
Wir stellen als LINKE hierzu den Antrag, die Nichtigkeit der Verträge festzustellen. Dies ist eine Maßnahme die umgehend die Belastung des Haushalts um 12,5 Millionen Euro in diesem Jahr und auch in den kommenden Jahren drastisch reduziert.

An dieser Stelle noch ein paar Worte zu ihrem Griff in die allgemeine Rücklage zur Beeinflussung der Volksabstimmung:

Es ist schlicht und einfach dreist, wie die Mehrheit dieser Versammlung aus CDU, SPD, FDP und FW dem S21-Kommunikationsbüro die Geldschatulle der Region zuschiebt. Damit unterlaufen Sie den Gedanken der fairen Information und des Meinungspluralismus, der einer Volksabstimmung zugrunde liegen muss damit sie gesellschaftlich akzeptiert wird. Es ist zutiefst unredlich diese Mittel der Region ihrem Zweck zu entfremden - und genau das passiert. Aber bekanntlich kennen sie bei Stuttgart 21 ja kein Maß und keinen Anstand.
Im Übrigen verwundert uns schon sehr, warum die Grünen in der Landesregierung es zulassen, dass Gebietsverbände parteiische Werbung machen dürfen. Vielleicht sollten sie nochmals überlegen, ob sie diese Abstimmung ernsthaft gewinnen oder doch eher verlieren wollen.

Besser wäre es gewesen, sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der S21-Befürworter-Seite, hätten Frau Wopperer eine weitere Million für ihr regionales Förderprogramm nachhaltige Mobilität gegeben. Dort wäre diese Million besser aufgehoben als in den Händen der S21-Marketing-Maschinerie.

Eine Bemerkung am Rande:
Es ist ein gutes Signal, dass unsere Regionaldirektorin ihren Dienstwagen abgibt und beim Car-Sharing einsteigt. Ich finde diese Entscheidung sollten sich einige Damen und Herren in diesem Saal besonders zu Herzen nehmen, denn sie ist vorbildlich. Sollten Sie, Frau Wopperer, nun noch die multimodale Mobilitätskarte auf den Weg bringen, dann sind wir die ersten, die Ihnen dafür ehrlich Beifall zollen würden.

Und da wären wir beim Thema Nachhaltigkeit.

DIE LINKE schlägt vor, einen Leitbildprozess Nachhaltigkeit in der Region einzuleiten. Die vielen Bemühungen der Region und der Kommunen sollten in ein regionales Leitbild übergehen, das den Dialog befördert und gemeinsam mit den Menschen in einem Partizipationsprozess stetig fortentwickelt wird. Die Region bemüht sich im Rahmen ihrer gesetzlichen Möglichkeiten bereits heute intensiv um eine umwelt-, ressourcen- und raumschondende Entwicklung. Sie sollte dieses Engagement im eigenen Wirkungskreis jedoch im Sinne einer regionalen Kooperationsklammer weiterentwickeln.
Die Diskussionen um nachhaltigen Verkehr, verträgliche Siedlungsentwicklung und die Energiewende sind bereits erste Bausteine die in einen Leitbildprozess eingebracht werden können.

Es sollte dabei nach unserer Auffassung das Triple-Zero-Ziel angestrebt werden: null Emission, null Ressourcenverbrauch, null Energie.
Eine starke Region stellt sich den Herausforderungen der Zukunft. Die Beachtung der Tragfähigkeit unserer Biosphäre, der Schutz vor irreversibler Ausbeutung unserer Ressourcen und eine Politik der generationenübergreifenden Verteilungsgerechtigkeit macht die Region stark nach innen wie nach aussen. Wir wollen, dass die Region nicht für sich selbst spricht, sondern sich einen Namen erarbeitet, durch engagiertes Eintreten für eine nachhaltige Entwicklung.