Rede: Änderung von Gebieten für Sicherung und Abbau von Rohstoffen

Christoph Ozasek

Rede von Christoph Ozasek in der Regionalversammlung Stuttgart am 28.7.2021 zu TOP 2: Änderung von Gebieten zur Sicherung und für den Abbau von Rohstoffen - Einleitung des Verfahrens.


Herr Vorsitzender,
werte Kolleg*innen,

wie leben Menschen am Rande eines aufgeschlossenen Tagebaus?
Eingedeckt durch den Staub der Gesteinsbrecher, dem dumpfen Grollen der
Sprengladungen, und mit viel LKW-Lärm. Sie blicken auf die Risse in ihren Häusern und
fragen sich: wann endet es?

Ich glaube niemand möchte sich einer solchen Belastung dauerhaft aussetzen.
Für die Familien von Rielingshausen ist dieser Ausnahmezustand jedoch Alltag.
Damit die fossile Bauwirtschaft floriert, Straßen für die Automobilindustrie asphaltiert und
Einfamilienhäuser im Grünen für privilegierte Bevölkerungsschichten errichtet werden
können, benötigt die Bauwirtschaft massenhaft billige Rohstoffe. Billige Rohstoffe, für
deren Gewinnung hochwertigste Böden abgetragen werden. Billige Rohstoffe, auf Kosten
von Mensch und Natur.

Jährlich 100 Millionen Tonnen an Steinen und Erden werden allein in Baden-Württemberg
durch die Bauwut in Anspruch genommen. Trotz aller politischen Bekenntnisse zur
„Bauwende“ liegt der Anteil recycelten Schutts bei lediglich 10 % und entfällt zum
größten Teil auf den Straßenbau. Beim Beton liegt der Recycling-Anteil bei
homöopathischen 1,4 %.

Im Mehrfamilien- und Geschosswohnungsbau werden noch immer 94 % der Gebäude in
klimaschädlicher Massivbauweise errichtet. So erklärt sich auch die schlechte Bilanz der
ressourcenintensiven Branche im Hinblick auf die Dekarbonisierung: 40 % der CO2-
Emissionen entfallen auf diesen Sektor.

Insbesondere der Landespolitik, die eine nachhaltige Rohstoffkonzeption angekündigt
hat, muss klar sein: Die Bauwende wird scheitern - und mit ihr das im neuen
Klimaschutzgesetz verankerte Ziel 2040 - solange der Zugriff auf Primärrohstoffe nicht
gedrosselt wird. Denn warum sollte in Baustoffrecycling investiert werden, wenn doch
Kies, Bausande und Zement so billig sind?

Und genau hierüber entscheiden wir heute: Halten wir die Bauwirtschaft in einem klima-
und naturzerstörerischen Entwicklungspfad, oder legen wir die Weiche um.

Das „Haus der Erde“ - das Leitbild des Bunds der Architekten für die Bauwende - wird
nicht aus kritischen Primärrohstoffen errichtet, sondern aus Holz und Lehm. Bioökonomie
und die Kreislaufwirtschaft sind die richtigen Antworten auf den Klimaimpact des Bauens.
In klimagerechter Architektur und konstruktivem Weiterbauen unserer Gebäude liegt die
Zukunft, nicht in blindem Abriss-Neubau und vielen neuen Einfamilienhäusern auf der
grünen Wiese - einer baukulturellen Altlast für kommende Generationen.

Werte Kolleg*innen, der Regionalplan hat ausreichend Reserveflächen für den
Rohstoffabbau definiert. Der Bauwirtschaft ist so der Weg geebnet, Schritt-für Schritt den
Transformationsprozess zur Klimaneutralität und zur Baustoffzirkulation zu beschreiten.
Dieser Kulturwandel im Bauen wird jedoch nur einsetzen, wenn Planungssicherheit
besteht und Zwänge zur Nutzung von Sekundärrohstoffen geschaffen werden. Hiervon
sollten wir nicht abrücken.

Die Einleitung des Verfahrens zur Neuzonierung der Abbaugebiete in Rielingshausen und
Markgröningen mag formal ein ergebnisoffener Prozess sein. Doch wir alle wissen was
am Ende steht: der Industrieverband Steine und Erden erhält, was er fordert.

Heute zeigt sich, ob die direkt gewählte Regionalversammlung die großen Linien einer
nachhaltigen Entwicklung verstanden hat, oder stattdessen den Rohstoff-Raubbau
fortsetzen wird.

DIE LINKE/PIRAT wird der Verfahrenseröffnung die Zustimmung verweigern.