Rede: Gründung der Breitband GmbH

Rede von Christoph Ozasek am 18.7.2018 in der Regionalversammlung Stuttgart.

Regionalversammlung Stuttgart, 18.7.2018


Rede zu TOP 1: Gründung der Breitband GmbH


Sehr geehrte Frau Dr. Schelling,
Herr Vorsitzender,
werte Kolleginnen und Kollegen,

der Künstler Steve Lambert schreibt: „Wenn wir über die Zukunft nachdenken, kann uns die Realität dabei im Weg stehen.“ Und er hat Recht.

Oft wird der Status Quo nur in kleinen Schritten weiter gedacht. Dabei braucht es, wenn es um Fortschritt geht, manchmal völlig neue, gewagte Ideen und Mut zur disruptiven Veränderung.

Den Zeitpunkt, als die Glasfasertechnologie eine solche disruptive Technologie war, hat die Politik längst verstreichen lassen. Es ist das Erbe des damaligen CDU-Postministers Schwarz-Schilling, der die Planungen eines Glasfaser-Netzes der sozialliberalen Koalition handstreichartig beendete, und dessen Frau als Teilhaberin einer Kupferkabelfirma später jäh davon profitierte. Deutschland ist heute in Sachen Glasfaser ein Entwicklungsland, und das, werte Kolleginnen und Kollegen der CDU, ist Ihr Vermächtnis.

Mit der Privatisierung der Deutschen Post entglitt die Netzinfrastruktur der Politik und damit der öffentlichen Kontrolle schließlich ganz. So kam der Ausbau digitaler Infrastruktur nur schleppend voran. Und die Telekom hält das Kupferkabel durch den Einsatz der Vectoring-Technologie bis heute künstlich am Leben und arbeitet damit auch an der Re-Monopolisierung der digitalen Infrastruktur. Dass das zugelassen wird, liegt auch an den Versäumnissen der Bundesregierung.

Wenn die Telekom nun bereit ist, hunderte Millionen zu investieren, ist das kein selbstloser Akt. Genau wie der Einsatz des Vectoring, einer nie zukunftsfähigen Technologie, geht es auch hier nur um das Profitinteresse eines Konzerns, der um sein quasi-Monopol fürchtet.

Der Geschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen warnt davor, dass Kommunen mit eigener Glasfaser zu den Verlieren der geplanten Agenda gehören könnten. Und ja, genau das ist zu befürchten.

Außerdem teilen wir die Bedenken der kommunalen Stadtwerke. Die Bereitschaft der Telekom, ihre Netze für andere Anbieter zu öffnen, war bisher gleich Null. Ein Interesse an einem fairen und diversen Angebot verschiedener Provider für die Endkunden hat sie nämlich nicht.

Und darum müssen wir über Open Access reden, über einen freien und ungehinderten Zugang zu dieser Infrastruktur, auf der verschiedene Anbieter gleichberechtigt Ihre Dienste anbieten können.  

Der diametrale Interessenkonflikt zwischen einer endnutzerfreundlichen Lösung und der Hoheit der Deutschen Telekom über die digitale Infrastruktur kann also gar nicht deutlich genug betont werden.

Infrastrukturen, seien es Straßen, Energienetze, die Wasserversorgung oder das Glasfasernetz, dürfen nicht in den Händen profitorientierter Konzerne liegen. Darum stellen wir dem Ausbau unter privilegierter Beteiligung der Telekom die Forderung nach einer öffentlichen Netz-Trägergesellschaft entgegen. Breitbandversorgung muss als öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge unter öffentlicher Kontrolle stehen. Statt einem profitorientierten Partner könnten etwa die gemeinwohlorientierten Stadtwerke eingebunden werden, wie es gerade vorbildlich in München passiert.

In unserer Hochschul-, Wissenschafts- und Innovationsregion ist der Ausbau des Glasfasernetzes längst überfällig; aber wir wollen nicht, dass der monetäre Nutzen darüber entscheidet, wo und wann er kommt.

Wir stimmen heute der Vorlage zur Gründung der Breitband-Service-Gesellschaft zu. Einer Einbindung der Telekom als strategischem Partner werden wir aus den erläuterten Gründen jedoch unsere Zustimmung verweigern.